Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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I. Es sei gestattet, zunächst den Gedankengang der neuesten 
Publikation unseres Autors mit möglichster Kürze zu skizzieren. 
Den Ausgangspunkt bildet der Satz, daß das Dogma von der 
logischen Geschlossenheit der Rechtsordnung als ein Irrtum er- 
kannt und daher verlassen sei (S. 11, 14, 173, 314). Daher sei es 
auch ein Irrtum, daß alle Urteile und sonstigen Rechtsaussagen 
lediglich durch Deduktion aus dem Gesetzes- und Gewohnheitsrecht 
gewonnen werden. Bei jeder Erörterung einer Rechtsfrage außer 
bei der rein rechtshistorischen, also sowohl bei der Behandlung 
eines Rechts satzes als bei der Anwendung auf einen konkreten 
Rechts fall, zeige sich der „ungelöste Widerspruch‘, „daß logische 
Folgerungen aus einem überlieferten Rechtssatz und praktische 
Zweckerwägung aus der Natur der Sache usw. bei derselben 
Fragebeantwortung nebeneinander auftreten“, und gewiß habe sich 
schon manchem der aus diesem Widerspruch sich ergebende Kon- 
flikt „bis zu einer geistigen Qual gesteigert“ (S. 4). Empfunden 
werde dieser Widerspruch freilich nur von demjenigen, der mit 
einem etwas größeren Bedürfnis nach logischer Klarheit an die 
Sache herantrete, als man es unter der Alleinherrschaft der histo- 
rischen Schule zu fühlen pflegte (S. 5). Die herrschende Mei- 
nung könne sich zwar der Erkenntnis der Mängel der bisherigen 
Rechtsquellentheorie nicht verschließen, aber sie behandele die 
prinzipiellen Fragen nebensächlich (S. 9, 10) und nehme lieber 
verschiedene Unklarheiten, so die „mystisch personifizierende Schöp- 
fung eines besonderen Willens des Gesetzes“ (S. 8) oder die 
häufige Berufung auf fingierte stillschweigende Vereinbarungen 
unter den Parteien (23 ff.) in Kauf, um nur den Neuaufbau der 
Rechtsquellenlehre zu ersparen. Auch wo ein Gesetz auf „Treu 
und Glauben“, die „guten Sitten“ usw. zurückgreife, versage das 
technisch geformte Recht und sei das Prinzip der logischen Ge- 
schlossenheit des Rechts negiert (22, 23). 
Jung wendet sich nun weiter der Frage zu, aus welcher 
Quelle denn die nicht aus dem Gesetzes- und Gewohnheitsrecht
	        
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