Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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ableitbaren Rechtsfindungen schöpfen (31 fi). Die häufig heran- 
gezogenen Begriffe des Interessenschutzes, des Verkehrsbedürfnisses, 
der Gerechtigkeit, Billigkeit, Zweekmäßigkeit, Vernunft, der Natur 
der Sache usw. beweisen, daß man auf ein objektives logisches 
Urteil verzichte und allemal eine Schätzung vornehme, ein subjek- 
tives Werturteil fälle (S. 34 u. a.). Es finde immer „ein Zurück- 
greifen auf die allerletzten und allgemeinsten Grundlagen des recht- 
lichen Urteils, nämlich auf die Empfindung, ob dieses Ergebnis 
der Gerechtigkeit entspreche oder nicht entspreche“ statt (8. 35, 
43). „Ich bestreite auf das Entschiedenste*, so erklärt der Ver- 
fasser S. 36, „daß Begriffe wie Gerechtigkeit oder Billigkeit uns 
soweit zerlegbar und bekannt seien, daß man mit ihnen zu allgemein 
gültigen, d. h. auch für andere zwingenden Schlüssen gelangen 
könnte; zu objektiven, d. h. nach dem principium rationis sufficientis 
cognoscendi notwendigen und daher auch für andere Intellekte als 
das aussagende Subjekt vorhandenen Erkenntnissen. Dann soll 
man das aber auch offen zugeben, daß man nur aus dem auf den 
vorliegenden Fall reagierenden Rechtsgefühl und nicht aus Be- 
griffen, Normen usw. urteilt.“ Für dieses Entscheiden nach Rechts- 
gefühl wird der Ausdruck „induktive Rechtsfindung“ vorgeschlagen 
(S. 43) Aber diese Rechtsfindung sei nicht freie Erfindung gänz- 
lich neuen Rechtes, wie die extremen Freirechtler behaupten (S. 46, 
132). Es hafte ihr jene Gebundenheit an, welche „dem Begriff 
von geltendem, in Richtersprüchen zu verwirklichendem Recht — 
im Gegensatz zu einem bloß gedachten Recht — absolut not- 
wendig ist* (S. 44). Aus diesem Grunde wird auch die Bezeich- 
nung Freirechtsschule als ungeeignet zu einer dauernden Samm- 
lungsparole abgelehnt (S. 44). 
Wie ist nun eine Bindung möglich, da wir es doch mit sub- 
jektiven ‚Wertschätzungen zu tun haben ? Mit dieser Frage sind 
wir beim Kernpunkt des Buches angelangt. JUNG entwickelt über 
dieses Problem die folgende Theorie. 
‚ „Der Richter beurteilt ein der Vergangenheit angehöriges
	        
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