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Unterscheidung von Recht und Unrecht schloß und so zum histori-
schen Skeptizismus gelangte, der auch an der subjektiven Wahr-
heit verzweifelt, weil er erkennt, daß diese keine objektive Geltung
hat (8.236, 237).
JUNG gelangt zu dem Resultat, daß eine historische Unter-
suchung der Beantwortung einer dogmatischen Frage nach dem,
was Rechtens ist, nur dann dienen könne, wenn ein bisheriger
Zustand oder ein früheres Verhalten das Erkennungsmittel des
konkreten Unrechts bildet, ferner wenn ermittelt werden soll, ob
ein Rechtssatz eines bestimmten Inhalts in einer Gemeinschaft
einmal entstanden ist. Beides komme vorwiegend für das Ge-
wohnheitsrecht in Frage; für das Gesetzesrecht habe die rein
historische Exegese nur noch sekundäre Bedeutung, weil dessen
„eigentliches Leben von seiner Wirkung, nicht von in der Ver-
gangenheit liegenden Tatsachen bestimmt wird“ (8.245, 246).
Die Schrift enthält noch manche andere Ausführungen, so
eine Verteidigung des staatlichen Rechtszwangs gegenüber der
anarchistischen Kritik (S. 94 ff.), Erörterungen über den Unter-
schied der Auslegung von organisch gewordenem und künstlich
geformtem Recht (S. 172 ff.), über das Wesen und den Gegen-
stand der Itechtswissenschaft und über deren Verhältnis zur Rechts-
anwendung (S. 259 ff... Ein näheres Eingehen auf alle diese
Materien würde wohl zu weit führen.
II. Zum Zwecke der Kritik sei es gestattet, zuerst die Problem-
stellung, dann die Prämissen, dann die wichtigsten Folgerungen aus
diesen Prämissen kurz zu besprechen und erst am Schlusse eine
Würdigung des Werkes in seiner Gesamtheit zu versuchen.
A. Inder Problemstellung stimmt JUNG mit vielen
Vertretern der Rechtsquellenbewegung überein. Die logische Ge-
schlossenheit der Rechtsordnung wird geleugnet und nun gefragt,
aus welcher Quelle die einzelnen Rechtsfindungen schöpfen, mit
denen die echten Lücken im konkreten Fall ausgefüllt werden. Erst
im weiteren Verlauf der Untersuchung wird das Prinzip, welches