— 380 —
zwischen ursprünglichen und abgeleiteten Rechtsquellen. Der
Gegensatz ist zunächst ein relativer. Eine Quelle kann eine
andere für verbindlich erklären und doch selbst abgeleitet sein.
Ein Gesetz kann beispielsweise eine Verordnung delegieren, diese
kann sich auf Gewohnheitsrecht berufen und dieses kann die
Entscheidung dem freien Ermessen oder der Rechtsfindung über-
lassen. Noch längere Ketten lassen sich in zusammengesetzten
Staaten mit Rücksicht auf das Ineinandergreifen von oberstaat-
licher und gliedstaatlicher Rechtsordnung ausdenken oder für
mittelalterliche Rechtszustände mit dem Grundsatz Stadtrecht
bricht Landrecht usw. Aber wenn auch der Gegensatz zwischen
ursprünglichen und abgeleiteten Quellen ein relativer ist, so gilt
dies doch nur für die Mittelglieder. Die erste Quelle — wir
wollen sie im folgenden nur die ursprüngliche Quelle schlechthin
nennen — ist aus keiner anderen „Rechtsquelle“ abgeleitet, sondern
aus einem außerhalb des Rechtes gegebenen, juristisch nicht er-
faßbaren und darum außer Diskussion gestellten Prinzip (z. B. Gott,
Staat, Volkswille, Rechtsgefühl, Verfasser des geschriebenen Ge-
setzes, Wille des Despoten oder des Parlamentes und des sank-
tionierenden Staatsoberhauptes usw.). Umgekehrt ist die letzte
Quelle, der unmittelbar die Obersätze für die Schlüsse auf
den einzelnen Fall ihrem Inhalte nach entnommen werden, nur
mehr „abgeleitet“. Die Mittelglieder können nun vernachlässigt
werden, sie haben keine andere Bedeutung, als daß die letzte
Quelle so betrachtet werden kann, als wäre sie selbst von der
ersten für verbindlich erklärt. Durch diese Betrachtung gelangen
wir zu einem Gegensatz zwischen ursprünglicher und abgeleiteter
Quelle. Sehr häufig fallen beide Begriffe zusammen, die ursprüng-
liche Quelle regelt die zu normierende Materie inhaltlich selbst
und bleibt so die einzige Rechtsquelle. Sehr häufig aber gilt das
Gegenteil, die ursprüngliche Quelle erklärt eine andere für ver-
bindlich.
An die zuletzt erwähnte Erscheinung knüpft der Streit zwischen