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ethischen Grundlagen des Rechtes ausführt, muß er wohl auch für
diese Partien der Rechtsordnung gelten lassen; die Ansichten der
Rechtsgenossen über dasjenige, was man sich gefallen lassen
müsse, und ihr Vertrauen auf das regelhafte Recht und auf die
Wirkung von Präjudizien können wohl nach JUNG in anderen
Rechtsmaterien keine andere Wirkung äußern als gerade im Zivil-
recht. Trotzdem schränkt JUNG sein Ergebnis, daß das Gesetz
nur Maßstab, nur Weistum für den Richter sei, auf das „Zivil-
recht“ oder das „jus inter singulos“ ein und er stellt die mit
seinen sonstigen Ausführungen schwer vereinbare Behauptung auf,
daß das „öffentliche Recht“ „unmittelbar bindende Normen“ für
die Amtstätigkeit des Richters enthalte (S. 137).
Gegenüber diesen Darlegungen drängen sich dem Leser zwei
Fragen auf: erstens, warum ist ein Teil der Rechtsordnung un-
mittelbar bindend, der andere nur Maßstab, und zweitens, wo
läuft die Grenze zwischen beiden Teilen. Auf beide Fragen gibt
JUNG keine Antwort.
Die Unmöglichkeit, die erste Frage auf den Grundlagen der
Theorie JUNGs zu beantworten, hängt meiner Ueberzeugung nach
mit jenem Gedanken des Autors zusammen, den er selbst $. 316
als die wesentlichste Aufstellung seiner Schrift bezeichnet. Es ist
der Gedanke, Geltungsgrund des Rechtes und Ursache der Autorität
desselben sei die Tatsache, daß im Zusammenleben der eine vom
andern ein gewisses Maß von Rücksichtnahme verlange und im
Notfalle mit Gewalt zu erzwingen suche. Auf diese gesellschaft-
liche Erscheinung kann man vielleicht Rechtssätze über den Kauf
oder das Darlehen zurückführen, obwohl auch hier die Ableitung
des Rechtes aus dem Unrecht Bedenken hervorrufen muß, nicht
aber Rechtssätze über die Militär- oder die Steuerpflicht, über
Wahlrecht oder Beamtendienstrecht, über die Thronfolgeordnung
oder die Stellung des Staates zur Kirche. Wir werden zu der
schon oben angedeuteten Annahme genötigt, daß das Recht sich
nicht allein aus der Rechtsüberzeugung der Rechtsgenossen er-