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Die herrschende Lehre behauptet einen strikten Gegensatz
zwischen dem privaten und dem öffentlichen Recht. Sie stellt dem
privaten Sachen- und Obligationenrecht ein öffentliches, der privat-
rechtlichen juristischen Person eine öffentlichrechtliche, dem Privat-
unternehmen eine öffentliche Anstalt gegenüber usw. Jeder Rechts-
satz wird einem der beiden Teile der Rechtsordnung angegliedert,
und ergibt sich, daß in dem anderen Teil dasselbe gilt, so glaubt
man hier einen zweiten, analogen Rechtssatz zu handhaben, ein
Pendant, wie SPIEGEL einmal, allerdings in einem anderen Zu-
sammenhang, treffend bemerkt hat (Die Verwaltungsrechtswissen-
schaft 163).
Ziemlich vereinzelt sind bis jetzt die Stimmen, welche sich
gegen das Dogma von der Zweiteilung der Rechtsordnung er-
hoben haben. So hat beispielsweise schon AUSTIN diese Lehre
bekämpft und gefordert, die Namen public law und private law
seien aus der Wissenschaft zu verbannen (Lectures on Jurispru-
dence, 4. Auflage, 1873, 69 ff., 770 ff.). Vor einigen Jahren hat
WEYR in dieser Zeitschrift, XXIIL, 529 ff. und in seinem Buche
Prispövky k theorii nucenych svazkü (Beiträge zur Theorie der
Zwangsverbände), Prag, 1908, den Dualismus im Rechtssystem
verworfen, und bald darauf ist KELSEN, völlig unabhängig von
WEYR und ohne dessen Schriften zu kennen, in dem früher zitier-
ten Werk Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 1911, S. 269, 270,
630 ff. in der Hauptsache zu demselben Ergebnis gelangt. Viel-
leicht kann auch, um noch einen Autor zu nennen, SPIEGEL hie-
her gerechnet werden, der allerdings die Frage im wesentlichen
nur vom Standpunkt der Systematik und der wissenschaftlichen
Arbeitsteilung prüft (Die Verwaltungsrechtswissenschaft, 147 ff.,
220 ff.).
Auf Austins Theorien hier einzugehen, würde zu weit führen,
zumal dem Einwand begegnet werden müßte, daß dieselben nur
für die .eigenartigen Verhältnisse in England zutreffen. Auch
manchen anderen Ausführungen, welche in irgend einem Punkt