— 402 —
erwähnt seien — nach der Lektüre des zitierten $ 8 des JUNG-
schen Buches einen Blick in das letzte Heft des Archivs für
Rechts- und Wirtschaftsphilosophie (VI, 1. Heft, Oktober 1912)
tun. Er wird auf S. 170, 171 Bemerkungen des Romanisten
WENGER und auf S. 118ff. solche des Germanisten BARTSCH
finden, welche uns einen Hinweis darauf zu bieten vermögen, wie
viel gerade die neue Rechtsquellenbewegung aus der Rechts-
geschichte zu lernen vermag. Umgekehrt zeigt sich in der neueren
Rechtsdogmatik vielfach eine Abkehr vom „Historismus“ und die
Tendenz, jedes Gesetz nur aus seinem gegebenen Text heraus zu
erklären, eine Interpretationsmethode, welche STROHAL in einem
kürzlich publizierten Aufsatz als „ein von der Gedankenwelt, aus
welcher heraus die Bestimmungen des Gesetzes entstanden sind,
sich isolierendes Paragraphenschachspiel“ verurteilt hat (Iherings
Jahrbücher, 2. Folge, XXV, 1.—3. Heft, 67).
Meines Erachtens ist gegenüber gesetztem Recht, soweit
Rechtsdogmatik überhaupt am Platze ist, die historische Aus-
legungsweise im allgemeinen, vorbehaltlich gleich zu erwähnender
Ausnahmen, abzulehnen und das „Paragraphenschachspiel* das
Richtige. Denn nur der Gesetzestext ist in der Regel dasjenige,
mit dessen zukünftigen Wirkungen gerechnet werden kann. Auch
JUNG, der allerdings nur an das Privatrecht denkt, ist im wesent-
lichen dieser Ansicht. Mit Recht hebt er auch anderseits die Be-
deutung hervor, welche der historischen Betrachtungsweise für die
dogmatische Behandlung des Gewohnheitsrechtes zukommt. Es
gibt aber noch andere von ihm nicht berücksichtigte weite Ge-
biete, auf denen historischen Studien eine äußerst wichtige Rolle
für die Dogmatik zufallen kann. Vor allem sei das Gebiet des
natürlichen Rechts in dem von mir oben gebrauchten Sinn ge-
nannt. : Doch auch Gesetzesrecht kann unter Umständen nur mit-
telst der historischen Forschung richtig verstanden werden, so,
wenn es sich auf Erfahrungssätze, auf Gewohnheiten, auf die
Natur der Sache beruft. JUNGs Ausführungen bedürfen daher