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dem deutschen Reichskanzler gesprochen wurden: „„Die Grund-
bedingung für den Frieden ist Macht. Die alte Wahrheit bleibt
bestehen, daß der Schwache des Starken Beute wird.““ Diese
Erklärung klang als ein Warnruf in alle Lande und mahnt auch
uns daran, wie weit wir tatsächlich von der Verwirklichung eines
Reiches des Friedens und des Rechtes entfernt sind. Für die
kleinen Staaten des lateinischen Amerika haben die Worte des
Reichskanzlers die Bedeutung eines Mene Tekel, das sie darauf
hinweist, wie leicht eines Tages ihre Unabhängigkeit hinweg-
gefegt werden kann.“ Der Redner verwahrt sich besonders da-
gegen, daß er die Dinge zu pessimistisch ansehe. Er meint, die
gewaltigen Rüstungen zu Wasser und zu Lande, welche die euro-
päischen Staaten für notwendig hielten, die drückenden Steuer-
lasten, die daraus entständen, die große Zunahme der Bevölke-
rung mit ihren Begleiterscheinungen, der Verarmung der Arbeiter-
schaft und der Ausbreitung der sozialistischen Gedanken, alles
das müsse die Regierungen in den europäischen Großstaaten not-
wendig dahin führen, Landvermehrungen zu erstreben, Kolonien
zu begehren, Absatzmärkte zu suchen. Ein Blick auf die Karte
bestätige dieses Bedürfnis und zeige die zahlreichen Kolonial-
gründungen in Afrika, Asien und den Südseeinseln aus dem letz-
ten Drittel des 19. Jahrhunderts. Aber diese seien längst unzu-
reichend geworden, und das Expansionsbestreben habe sich wie-
der stärker als je eingestellt. Europa müsse also erneut auf den
Erwerb von Kolonien ausgehen. Aber, wo solle es sie finden.
ANDERSON antwortet: „Auf unserer Seite des Atlantischen Ozeans!
Die reichen, unendlich großen Gebiete im spanischen Amerika,
die zum großen Teil noch gar nicht bewohnt sind, der außer-
ordentliche Mehrwert, den sie im Vergleich mit allem, was bis-
her in Afrika oder Asien kolonisiert worden ist, besitzen, müssen
für mehr als einen europäischen Staat eine große Versuchung
bedeuten, die neuerdings noch größer geworden ist, da der
Panamakanal seiner Vollendung entgegengeht. Wenn der Aus-
Archiv des öffentlichen Rechts. XXX. 3. 27