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mung zwischen den Ländern unseres Kontinents und anderen
Staaten verstopft werden.“
Man braucht keine Sehergabe zu besitzen, um zu der An-
nahme berechtigt zu sein, daß die dritte Haager Friedenskonferenz
diesen Wunsch nicht erfüllen wird. Kein europäischer Staat
wird sich bereit erklären, Amerika die begehrte Ausnahmestellung
als ein Recht einzuräumen. Mögen die Vereinigten Staaten auch
weiterhin die Konferenzbeschlüsse mit den von ihnen für nötig
befundenen Vorbehalten unterzeichnen ; den übrigen Staaten steht
es ebenso frei, ihre Politik so zu gestalten, als ob die Monroe-
doktrin nicht existierte. Oder sollten sich wirklich die Engländer
und Holländer hindern lassen, in Guayana an der gemeinsamen
Grenze ihnen gutscheinende Gebietsveränderungen zu vereinbaren,
weil die heutige amerikanische Auslegung der Monroedoktrin es ver-
bietet? Die Vertreter der deutschen Völkerrechtswissenschaft, insbe-
sondere FRANZ VON LISZT und EMANUEL VON ÜULLMANN, haben immer
die Ansicht vertreten, daß die Amerikaner mit ihrer Ausdehnung
der Monroedoktrin „weit über die Rechtssätze des Völkerrechts
hinausgreifen* ° und daß ihr an jene Doktrin geknüpfter Ver-
such, „die Intervention europäischer Staaten in Angelegenheiten
der Staaten des amerikanischen Kontinents auszuschließen, als
Negierung der von den amerikanischen Staaten selbst anerkannten
Geltung des Völkerrechts für diesen Kontinent“ anzusehen sei ®.
Und die deutschen Staatsmänner werden kaum einen anderen
Standpunkt einnehmen.
s y. Liszt, Das Völkerrecht. 9. Aufl. (Berlin 1912) $ 7.
® v. ULLMANN, Völkerrecht. Neubearbeitung (Tübingen 1908) S. 463 fg.