— 417 —
nicht genügend erkannten Unterschied dieser beiden Arten der Schieds-
gerichte. Erst die institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit erhebt die schieds-
gerichtliche Schlichtung von Verwicklungen unter den Staaten aus dem
Bereiche des Zufälligen zur Höhe einer dauernden, organischen Institution
wenigstens des partikulären Völkerrechts; bei ihr erscheinen die einzelnen
Schiedssprüche nicht mehr als zusammenhanglose Ereignisse, sondern als
Ausfluß einer dauernden Rechtsordnung zwischen den beiden Staaten, die
sie zur Beschreitung des Rechtswegs verpflichtet. Nur bei ihr stehen der
stärkere und der schwächere Staat einander für den Streitfall von vorn-
herein gleich, indem z. B. der stärkere Staat sich nicht ohne Vertragsbruch
dem Schiedsgericht entziehen kann. Während beim isolierten Schiedsgericht
das Kompromiß die Verpflichtung der Parteien, sich dem Schiedsspruch zu
unterwerfen, schafft, bedingt bei der institutionellen Schiedsgerichts-
barkeit schon der allgemeine Schiedsvertrag diese Unterwerfung; hier be-
trifft das Kompromiß nur das Verfahren und dgl., die Parteien sind zu
seinem Abschluß verpflichtet (uneigentliches Komproniß). Daraus folgert
Lammasch einen Unterschied für die Form des Kompromißabschlusses hin-
sichtlich der Notwendigkeit der parlamentarischen Zustimmung. Endlich
untersucht er beide Arten der Schiedsgerichte nach der Richtung der Wir-
kung ihrer Sprüche; hier erscheint mir das Ergebnis seiner Untersuchung
(S. 120) nicht als bedenkenfrei
Unter dem Titel: „‚Grundlegung einer einheitlich-sozio-
logischen Auffassung von Staat und Gesellschaft“
S. 128—160) hat Dr. FRANZ OPPENHEIMER-Berlin aus einem noch nicht ver-
öffentlichten Werke: „Der liberale Sozialismus als System der Soziologie“
den über die Zwischenziele der geschichtlichen Massenbewegung handelnden
dritten Abschnitt des geschichtsphilosophischen Teils und ferner ein kurzes
Resumee der Staats- und der Wirtschaftsphilosophie beigetragen, die er ın
seinen Werken: „Der Staat“ und „Theorie der reinen und politischen Oeko-
nomie“ näher ausgeführt hat. Er bezeichnet die von ihm entwickelte Ge-
schichtsauffassung selbst als sozialökonomisch. Sie gleicht der älteren
ökonomistischen Geschichtsphilosophie und ihrer „produktionistischen*®
Spielart, dem historischen Materialismus, in drei wesentlichen Beziehungen:
Sie ist in der Hauptsache kollektivistisch, d. h. sie erblickt in den Bewe-
gungen der Masse die eigentliche Ursache der Geschichte; sie ist determi-
nistisch, indem sie die Ideologien der Masse und der Individuen als die
Folge und nicht die Ursache der Bewegung begreift; sie ist auch ökono-
mistisch, d. h. sie findet das die Strömung am entschiedensten beeinflussende
Bedürfnis in dem ökonomischen, dem Streben nach Sachgütern. Oppen-
heimers Auffassung unterscheidet sich aber von der älteren darin, daß er
als Mittel zum Ziele der Sachgütererlangung neben dem ökonomischen
Mittel (eigene Arbeit und Tausch) auch und zwar in erster Linie das poli-
tische Mittel der unentgoltenen Aneignung fremder Arbeitskraft und fremder
3l*