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Heutzutage scheitert gar mancher an diesen unnötigen Hindernissen. Ohne
dem Verfasser irgendwie persönlich nahetreten zu wollen, möchte ich
doch behaupten, daß er bei seinen Ratschlägen etwas zu sehr die rein
menschliche Seite der Sache aus dem Auge läßt. Der Student, der frisch
von der Schule kommt, ist kein fertiger Mensch, er bedarf noch sehr der
Leitung; diese wird aber unwirksam, wenn sie nur darin besteht, daß man
den Studenten ein stetes: du mußt! zuruft, während doch andererseits, ab-
gesehen von dem dem Anfänger erst in weiter Ferne drohenden Examen,
Zwangsmittel nicht zu Gebote stehen. Eine verbesserte Methode des
Unterrichts, ein persönliches Eingehen auf die Begabung und Anlagen des
einzelnen — letzteres allerdings ein Ziel, welches nur auf mittleren und
kleineren Universitäten erreicht werden kann — wird uns zu bedeutend
besseren Ergebnissen führen, als sie bisher erzielt wurden.
Leidet das MITTERMAIERsche Buch etwas an einer gewissen Nicht-
berücksichtigung der gegebenen Tatsachen und Menschlichkeiten, so ist
dagegen die KAUFMANnNsche Schrift durch ein verständnisvolles Mitfühlen
für den juristischen Anfänger bemerkenswert. KAUFMANN unterstützt auf
Grund seiner praktischen Erfahrungen als Studierender und Lehrer den
“ Zitelmannschen Vorschlag der Unterbrechung des Studiums durch eine
Zwischenpraxis.
Für die Reform das Wertvollste bringt das KrückMAnnsche Buch.
Man erkennt es auf jeder Seite, wie unermüdlich und mit welcher Liebe
zur Sache und zu den Schülern K. das Problem durchdacht und sich
an den Lösungen versucht hat. K. schlägt die Einführung einer Vorpraxis
vor. Aus den mit den Hörern der Akademie für kommunale Verwaltung
in Düsseldorf gemachten Erfahrungen kann ich ihm nur recht geben.
Unter ihnen schneiden die mit der Berechtigung zum einjährig-freiwilligen
Dienste versehenen Hörer, welche eine Reihe von Jahren in der Verwaltungs-
praxis waren, bei den Prüfungen ebenso ab wie die Referendare. Ersetzt
also hier die Vorpraxis völlig das Studium des öffentlichen Rechtes auf der
Universität, so ist es klar, welche Bedeutung sie als Vorbereitung auf das
juristische Studium haben würde. K. weist auf die Schwierigkeiten hin,
welche die Personalfrage bereiten würde. Sie sind m. E. nicht zu über-
winden, wenn man vom Richter verlangen wollte, daß er wirklich als
Lehrer funktionieren sollte. Was not tut, scheint K. mir selbst am besten
auf S. 27 ausgesprochen zu haben: „Was mit dem Gerichtsanwärter mög-
lich ist, muß mit dem künftigen Richter auch möglich sein. Mehr und
Besseres als der Gerichtsanwärter braucht der zukünftige Richter zunächst
auch nicht zu lernen und zu wissen. Im Gegenteil kann ihm die Beschä-
mung durch den fleißigen und strebsamen Gerichtsanwärter unter Um-
ständen sehr dienlich sein. Das Heer ist jedenfalls nicht so empfindsam,
daß es auf Einjährige zärtliche Rücksicht nähme, und was das Heer kann,
kann die Justiz auch.“ Das trifft den Nagel auf den Kopf. Eine einjährige