Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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einfachen Erklärung des Glaubensgenossen abhängig zu machen, als mög- 
lich erweisen. Diese Scheidung müßte aber wohl erst durch das staatliche 
Recht anerkannt werden. Die Frage, ob die -Schlußbestimmung in $ 18 
der II. Verf.-Beilage auch auf israelitische Kinder Anwendung findet, ist 
bejaht, da nach jüdischem Religionsrecht die religiöse Volljährigkeit des 
Knaben mit zurückgelegtem 13. und jene des Mädchens nach zurückgelegtem 
12. Lebensjahre eintrete und die analoge Anwendung des $ 18 auf die nicht 
christlichen Bekenntnisse unbedenklich sei, wenn diese eine Festsetzung eines 
Endpunktes der religiösen Erziehung haben. In den Blättern für admini- 
strative Praxis 62 8. 326 ff. hat H. diese Auffassung, insbesondere gegen- 
über dem VerwGH. (Samml. d. Entsch. 33 S. 159 ff.), weiter begründet. Auch 
ich möchte dieser Auslegung den Vorzug geben. 
München im Februar 1913. J.v.Graßmann. 
  
Maurice Vautier, Professeur ä& l’Universit€E de Bruxelles, Essais de 
Philosophie Sociale, Bruxelles, H. Lamertin, et Paris, F. Alcan 
1912, 412 8. gr. 8°. 
„Il me parait de plus en plus probable que le monde est determine et 
conduit par des idees, c’est-A-dire par des conceptions qu’elabore l’esprit 
humain et qui le determinent & l’action.“ Unter diesem großen Leitge- 
danken betrachtet der Verfasser die Grundzüge der modernen Entwicklung 
von Kultur, Recht und Wirtschaft, Politik und gesellschaftlichem Leben. 
Daß sein Grundgedanke richtig ist, beweist am deutlichsten die Geschichte 
der französischen Literatur und Politik. Wenn wir in Deutschland die 
wissenschaftliche Betrachtung in diesen Fragen mehr auf ein exaktes Be- 
gründen und ein logisches Definieren der einzelnen Entwicklungstatsachen, 
die ja auch uns nicht entgangen sind, gestellt haben, so werden wir doch 
gut tun, den idealistischen Aufbau leitender Tendenzen, den die französische 
Richtung bevorzugt, nicht als abstrakte geistvolle Formulierung abzulehnen, 
sondern werden diese Art der Behandlung gern beachten als ein nützliches 
Korrektiv der scholastischen Methode, in die unsere juristische Schärfe uns 
leicht drängen könnte — oder gar, wie böse Kritiker behaupten, gerade in 
den staatswissenschaftlichen Fächern schon ein wenig verstrickt hat. Jede 
Art der Schulung des Verstandes hat ihre Vorteile und ihre Schattenseiten. 
Jene französische Methode, die von der Logik ausgeht und die Welt der 
Erscheinungen in ein fertiges Anschauungssystem einspannt, ist gefähr- 
licher, wie die deutsche, die versucht tatsächlich gegebene Bedingungen 
80 zu ‚gruppieren, daß ein logisch verknüpftes System sich ergibt. 
VAUTIER ist der Gefahr, die ihm drohte, entgangen: er ist nirgends flach. 
Schlichte, selbstverständliche Sätze, die er bringt, wirken bei ihm nicht 
wie triviale Wahrheiten, sondern als feste Bausteine einer großen Gedanken- 
konstruktion. Keiner der 16 recht verschiedenartigen älteren und neueren
	        
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