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Essays, die sein Buch vereint, erschöpft sich in geistreichen Glossen. Ueberall
ist ein bestimmter Entwicklungsgedanke herausgearbeitet.
Kritik in ihrer schwierigsten Form, wie sie nur ein überlegener Kopf
sich erlauben darf: nämlich ohne Polemik — Kritik der Ansichten ohne
Besprechung der abgelehnten Autoren — macht ein gut Teil der Betrach-
tungen VAUTIERS aus. Was er z.B. über „Recht und Soziologie“ sagt, ist eine
so nüchterne Zurückführung der wilden unter dem Schlagwort Soziologie
segelnden Dialektik, daß jeder Soziologe hieran messen könnte, ob er ge-
sunde Ziele verfolgt oder ob er wissenschaftliche Freibeuterei treibt.
Nicht gerade neu, aber sehr hübsch gefaßt sind die Bemerkungen über „das
monarchische Prinzip in Deutschland‘. Aktuell für uns und von einer
hohen Auffassung des Juristenberufs diktiert sind die Ausführungen über
den juristischen Unterricht.
® Aus einem fast schon vergessenen Fall, der Dreyfus-Affäre, weiß Vau-
tier Beobachtungen zu schöpfen, die bleibenden Wert haben. Auch in den
nichtjuristischen Abhandlungen: über „das ästhetische Wohlgefühl“, über
den „Machiavellismus“, über „Reichtum, Kredit, Kapital“ usw. zeigt sich jene
Vertiefung und Abstraktionskraft, die gerade dem Juristen das Problem
interessant macht, weil er sieht, daß mit seinem geistigen Handwerkszeug
gearbeitet wird.
Da das Buch auf systematische Verschmelzung verzichtet, darf das
Wort „Philosophie“ im Titel nicht ganz streng — oder besser, muß im
ursprünglichen wörtlichen Sinn genommen werden. Eine philosophische
Zusammenfassung müßte alle Beiträge stark läutern und sich höher über
die Welt der wechselnden Erscheinungen stellen. Es ist bei uns unbeliebt
einer Behandlung der ganzen Materie eine Reihe von — sagen wir:
Gedankenübungen an einzelnen Fragen vorausgehen zu lassen; nicht
monographisch, sondern als Bruchstücke des bereits konzipierten Gesamt-
systems. Für den Autor ist das jedenfalls eine ausgezeichnete Vorarbeit.
Vielleicht gibt uns Vautier, der bei aller französischen Art doch, schon in
seinem Stil, etwas von der nützlichen germanischen Nüchternheit und
Festigkeit verrät, einmal eine wirkliche Sozialphilosophie.
Özernowitz. Dungern.
Walter Aschburner A. A.
NOMOZ POAIQN NATTIKOZ
The Rhodian See-law, editet from the manuscripts. Oxford, at the
Clarendon Press, 1909, CCXCVI und 132 S. 8°,
Diese Ausgabe ist jetzt die beste. Eine Kritik des Textdrucks und
des.Glossars wird an dieser Stelle nicht erwartet werden. Der Autor hat
38 Handschriften sorgfältig verglichen. Die Uebersetzung — mit reich-
lichem philologischen Kommentar — ist gut und klar. Sehr wertvoll ist
die ausführliche Einleitung. Sie gibt außer einem literarischen Ueberblick