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ganz deutlich, daß wir inWirklichkeit nichts anderes als das voraus
haben, was wir als Rechtsverhältnis zu bezeichnen pflegen, nur daß eben
D. den oben angegebenen Gründen zuliebe, jede Seite dieses Rechtsver-
hältnisses, die Aktiv- und die Passive-Seite, als völlig unabhängige und
voneinander getrennte Situationen auffaßt. Daß gedanklich eine der-
artige Zerspaltung möglich ist, soll nicht geleugnet werden, doch glaube
ich trotzdem, daß diese scholastischen Deduktionen wenig Aussicht haben
dürften, allgemeine Anerkennung zu finden, Deduktionen nach denen der
Einzelne nicht deshalb zahlen muß, weil der Staat als Forderungsberech-
tigter dem Steuerzahler gegenüber tritt, sondern nur deshalb. weil der
beitreibende Beamte eine staatliche Kompetenz hat und weil der Zahlende
zur Entrichtung der Steuer verpflichtet ist, da der Befehl des Gesetzes
an ihn demgemäß lautet.
Ich glaube, ohne den Rahmen dieses Berichtes zu überschreiten, nicht
näher auf diese Frage eingehen zu können, und wende mich, in Kürze
referierend, zu den sonstigen Auffassungen des Verfassers. Da wäre dann
zunächst der Satz zu berichten, den D. an die Spitze seiner theoretischen
Darlegungen über die Grundlagen des Verwaltungsrechtes gestellt hat, und
der da lautet: „Verordnungen (Reglements) sind keine Verwaltungsakte*.
(1201). Dies sucht er zunächst für die Verordnungen des Staatshauptes, und,
im Anschluß an Rosin, für die Polizeiverordnungen und Verordnungen anderer
Beamten, sodann aber auch für Organisationsverordnungen nachzuweisen,
deren von Duguit geleugnete Natur von Verwaltungsakten Laband so über-
zeugend nachgewiesen hat?®. Interessant sind die Ausführungen D. über
die den romanischen Staatsrechten geläufigen actes politiques. Daß diese
zum guten Teil keine Verwaltungsakte sind (z. B. die Abstimmung über
Tagesordnungen durch die Kammer) ist richtig; doch scheinen mir Be-
gnadigung, Amnestie und Verfügung des Belagerungszustandes keine Akte
der Rechtspflege, sondern Verwaltungsakte darzustellen®‘. Die bekannte
Unterscheidung Laferrieres: actes d’autoriteE und actes de gestion, die D.
durch ein- und zweitseitigen Verwaltungsakt ersetzt wissen will®', geben
ihm Veranlassung zu der Frage der Begriffe „Vereinbarung“ und „Gesamt-
akt“ Stellung zu nehmen #, Daß er beide verwirft, kann bei seiner Auf-
fassung, die einen Collectivwillen nicht anzuerkennen vermag, nicht wunder-
nehmen. Eigenartig ist es, wie er die Schwierigkeit, eine Schadenersatz-
pflicht des „Staates“, den er doch als Persönlichkeit nicht anerkennt, zu
lösen sucht. Nach ihm liegt hier gar kein dem Staat anzurechnendes
Verschulden, sondern rein objektive Verantwortlichkeit vor 3,
» 2.2.0, II (1911) 8. 148.
so 1, 210-219.
s1 ], 284 ff.
82 ], 248. 38 1, 257.