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Erich, Das Staatsrecht des Großfürstentums Finnland.
(Das öffentliche Recht der Gegenwart, Band XVIII), 1912.
„Es ist unter gegenwärtigen Verhältnissen“, so beginnt des Verfasser
dieses Werkes seine Vorrede, „eine etwas eigentümliche Aufgabe, über das
Staatsrecht des Großfürstentums Finnland ein Buch zu schreiben. Sämt-
liche oder fast sämtliche Mitarbeiter an dem „Oeffentlichen Recht der Ge-
genwart“ sind in der glücklichen Lage, das geltende Staatsrecht der ent-
sprechenden Länder darzustellen und die Verhältnisse nur mit Berücksich-
tigung dieses Rechtes selbst auslegen zu können. Anders verhält es sich
in bezug auf Finnland. Selbst die Grundlagen der seit mehr als einem
Jahrhundert bestehenden staatsrechtlichen Stellung Finnlands in der Ver-
einigung mit dem russischen Kaiserreich werden verschoben, unbestreit-
baren und vorher allgemein anerkannten Prinzipien des finnischen Staats-
rechtes wird die Gültigkeit abgesprochen, in offenbarem Widerspruch mit
den Grundgesetzen des Landes und ungeachtet aller Proteste des Volkes,
der Volksvertretung und der Beamtenschaft wird die Einführung russischer
Gesetze in Finnland angebahnt, und schließlich werden die leitenden Per-
sönlichkeiten in der europäischen Politik und in der Rechtswissenschaft, um
sie zugunsten der gegenwärtigen Politik Rußlands Finnland gegenüber zu
beeinflussen, mit einer wahren Flut von apologetischen Schriften über-
schüttet, deren Quellen sich ohne Schwierigkeit erraten lassen. Das Volk
Finnlands willauf demBoden der geltenden Rechtsordnung
stehen und daher auch die Grundlagen der staatsrechtlichen Stellung des
aller äußerer Machtmittel entbehrenden autonomen Staatswesens in Ver-
bindung mit dem mächtigen Kaiserreich als Kardinalbedingung seiner na-
tionalen Existenz bewahrt und gesichert wissen. Nichts liegt ihm ferner
als die Aufstellung unberechtigter und unbegründeter Anmaßungen dem
souveränen Kaiserreich gegenüber. Mancher Wohltaten unvergeßlicher
russisch-finnischer Monarchen dankbar eingedenk und dem russischen Volk
eine durchaus freundliche Gesinnung entgegenbringend, kann es aber unter
keinen Umständen auf die Behauptung desjenigen konstitutiven Rechtsprin-
zips verzichten, daß die staatsrechtliche Stellung des Landes nur mit seiner
eigenen, in verfassungsmäßiger Form erteilten Zustimmung abgeändert wer-
den kann, und daß jede Verfügung oder Anordnung, welche in Widerspruch
mit diesem Rechtsprinzip getroffen wird, in Finnland als rechtsunbeständig
anzusehen ist, auch wenn es den Gewalthabern gelingt, deren tatsächliche
Durchführung und Befolgung zu erzwingen.“
Ich habe aus mehreren Gründen geglaubt, diese Sätze aus der Einlei-
tung des Verfassers wörtlich wiedergeben zu müssen. Denn einmal beleuch-
ten sie mit grellen Lichtern die gegenwärtige Lage des unglücklichen Finn-
lands und die Befürchtungen, die man für die Zukunft hegt, weiter aber
sind sie der Ausdruck der finnländischen öffentlichen Meinung überhaupt,
die keineswegs von dem Haß gegen Rußland erfüllt ist, wie man von dort