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gegensätze zwischen zwei Personen energetisch möglichst vorteil-
haft auszugleichen, d. h. eine Regelung zu finden, bei der auf
beiden Seiten Energievergeudung möglichst vermieden wird. Von
der weiteren Ausführung dieses Gedankens, wie OSTWALD sie gibt,
kann hier abgesehen werden. Wenn man bedenkt, daß die zwei
Subjekte, die in einem Willensgegensatze miteinander befangen
sind, auch das Individuum und der Staat sein können, so wird
man die Anwendung des energetischen Grundgedankens auch auf
die strafrechtlichen Fragen verstehen.
Ohne daß hier die Bedeutung der Energielehre für die Rechts-
wissenschaft im einzelnen untersucht werden soll, sei nur auf
folgendes hingewiesen.
Erstens ist der Gesetzgeber ebensowenig wie der Richter im-
stande, bei der Regelung eines Rechtsverhältnisses die energetische
Gesamtbilanz nachzurechnen und somit festzustellen, ob seine
Maßnahmen letzten Endes energieersparend wirken werden. Da
alles Geschehen in unendlicher Kette Energieumwandlung bedeu-
tet, so kann eine jetzt gemachte Energieersparnis späterhin Ur-
sache einer Energievergeudung sein und umgekehrt. Die recht-
liche Regelung kann die Kette nur einige Glieder weit verfolgen
und auf dieser ihr zugänglichen Strecke energetisch verfahren. Ob
weiterhin auf dem von ihr gebahnten Wege Energie gespart wer-
den und schließlich ein Saldo zugunsten der Energie sich ergeben
wird, diese Fragen sind für sie unlösbar. Der zweite Umstand
ist der: Auch wenn einem übermenschlichen Blicke die Energie-
bilanz bis in die fernsten Zeiten offenbar wäre, so würde er eben
nichts sehen als Energie und immer wieder Energie. Er würde
die mehr oder weniger gute Umwandlung der Energievorräte ver-
folgen können. Mit dieser Erkenntnis aber würde die Erkenntnis
von Recht und Unrecht nicht erschöpft sein, wenigstens nicht für
den, dem der Gedanke einer sittlichen Weltordnung, die Vorstel-
lung von Recht und Unrecht im höheren Sinne, von Schuld und
Sühne nicht fremd sind. Diese Kategorien finden in der energe-