Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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Gesetzgebers das Gegenteil der Fall sein sollte. Diese Wirkung 
hat nichts mit der technischen Formulierung des Gesetzes zu tun, dieja 
nach unserer Voraussetzung einwandfrei ist. Sie braucht auch nicht 
auf einem Verschulden der gesetzgebenden Faktoren zu beruhen. 
Sie ist vielmehr eine bloße Folge einmal des Umstandes, daß kein 
Gesetzgeber die zukünftige wirtschaftliche und technische Ent- 
wicklung des von ihm geregelten Gebietes voraussehen kann. Sie 
rührt ferner daher, daß nicht von vornherein feststeht, ob ın 
einem bestimmten Falle die generalisierende oder die spezialisie- 
rende Normierung zweckmäßig ist. Ist eine kasuistische Rege- 
lung gegeben, so kommt es vor, daß Mittel und Wege gefunden 
werden, eine ganze Reihe von rechtlichen Tatbeständen, weil ihnen 
eines der vielen gesetzlich erforderten Tatbestandsmerkmale fehlt, 
in rechtlich zweckwidriger Weise außerhalb des Gesetzes zu 
stellen. Sind allgemeine Richtlinien gegeben, so geschieht es leicht, 
daß eine übereifrige Rechtsprechung Tatbestände unter sie faßt, 
die nach dem inneren Zwecke des Gesetzes und der Absicht seiner 
Schöpfer von ihm nicht umfaßt werden sollten. 
Die Tätigkeit, die hier erforderlich ist, um die Mängel des 
Gesetzes bei ihrer Anwendung zu beseitigen, nennt man wohl 
auch Auslegung. Sie ist aber nichts weiter wie inhaltliche Er- 
gänzung. Es handelt sich hier nicht nur um eine anderweitige 
Formulierung eines inhaltlich gebilligten und technisch unvoll- 
kommenen Gesetzes, sondern um Ergänzung eines inhaltlich 
mangelhaften, wenn auch technisch vollkommenen Gesetzes, 
also um Hinzufügung eines inhaltlich neuen Gedankens, mithin 
um Schaffung einer neuen Rechtsnorm. Jede Rechtsergänzung 
oder, was dasselbe bedeutet, jede Ausfüllung von Lücken im Recht 
bedeutet die Schöpfung inhaltlich neuen Rechtes. Wenn diese 
Neuschöpfung irrtümlicherweise als „Auslegung“ des vorhandenen 
Rechtes angesehen wird, so beruht das auf einem Mangel an 
scharfem Denken, auf einer Vermischung von Inhalt und Methode. 
Um Tatbestände, die nach einem inhaltlich mangelhaften Gesetze
	        
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