— 5123 —
falsch rubriziert werden, einer Rechtsregelung zu unterwerfen,
die als das Ziel einer gerechten Regelung erscheint, bedarf es
immer einer Rechtsänderung, und zwar entweder einer Beseitigung
des nach dem Wortlaut des Gesetzes anzuwendenden Rechtes,
oder einer Lückenausfüllung. Beides ist Schaffung neuen Rech-
tes. Eine andere Frage ist es freilich, woher dieses neue Recht
methodisch genommen wird, ob es durch Analogieschlüsse von
ähnlichen Rechtsvorschriften hergeholt oder durch wirtschaftliche
Erwägungen oder sonstwie gewonnen wird. Eine andere Frage
ist ferner, ob die Schaffung dieses inhaltlich neuen Rechtes
durch Schaffung neuer Gesetze geschieht, oder durch die
Rechtsprechung, durch das Werden eines Gewohnheitsrechtes.
Wenn man diese inhaltlich neues Recht schaffende Tätigkeit häu-
fig Auslegung des alten Rechtes nennt, so kommt das einmal
daher, daß man oft das bisherige Recht vergleichend „per ana-
logiam“* heranzieht und sodann daher, daß man es vermeidet, das
neue Recht in Form neuer Gesetze zu schaffen. Es wird dann
einzig und allein mit Hilfe der bisherigen Gesetze und nach
deren Analogie durch die Rechtsprechung neues Recht geschaf-
fen. Das ändert aber nichts daran, daß inhaltlich neues Recht
entsteht, d. h. ein Recht, das auf den vorliegenden Tatbestand
nach Sinn und Wortlaut des bisherigen Gesetzes — denn beides
deckt sich nach unserer Voraussetzung — nicht Anwendung finden
durfte.
Die Frage, ob diese rechtschöpfende Tätigkeit an sich
energetisch zu begrüßen ist, kann nicht so ohne weiteres beant-
wortet werden. Das bisherige, inhaltlich zu ergänzende oder in
seinen Lücken auszufüllende Recht war auch dereinst einmal neues
Recht, das in ergänzender oder lückenausfüllender Tätigkeit zu
einem damals bestehenden Rechte hinzugeschaffen wurde. Die Frage
nach der energetischen Bedeutung dieser rechtschöpfenden Tätigkeit
würde also zusammenfallen mit der Frage nach der energetischen
Bedeutung der Rechtschöpfung, ja des Rechtes überhaupt, und