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Erkenntnis des Wahren und Richtigen seinem Zwecke nicht ge-
recht wird. Wenn wir aus all dem irdischen, allzu irdischen
Beiwerk den wahren Rechtsstreit mit dem wahren Rechts-
spruche herausschälen, so sind diese zweifellos energiefördernd.
Und doch hat auch dieser Rechtsstreit, dieser Urteilsspruch
energetisch einen erheblichen Mangel. Das Urteil heilt und ver-
bessert das kranke Recht nur für den einen Fall, der ihm unter-
liegt. Es beseitigt die Dunkelheit des technisch unvollkommenen
Gesetzes, schafft neues Recht nur für einen sozialen und wirt-
schaftlichen Tatbestand, läßt aber im übrigen die Quelle des
Leidens, das inhaltlich oder technisch schlechte Gesetz, bestehen.
Denn es hat keine bindende Kraft für die Zukunft oder, was das-
selbe besagt, es kann das schlechte Recht nicht dauernd bessern.
Ein weiterer energetischer Mangel ist der: Es kann keine syste-
matische Auslese treffen und kann nicht planmäßig alle bedürf-
tigen Rechtsnormen seiner — wenn auch nur für einen Fall —
heilenden Kraft teilhaftig werden lassen. Die Rechtsprechung
wird niemals von Amts wegen tätig, sondern immer nur auf An-
rufen der Parteien. Und der Ruf der Partei nach Heilung ergeht
nicht nach systematischen, rechtspolitischen Grundsätzen, sondern
er wird geboren aus der Not des Augenblicks. Ja, die Veran-
lassung, die Rechtsprechung um Hilfe in der Rechtsnot anzu-
gehen, braucht nicht einmal eine empfundene Rechtsnot zu
sein und ist es auch häufig nicht. Nur ein kleiner Teil aller
Prozesse wird anhängig, weil die Parteien von vornherein recht-
lieh dissentieren und den reehtlichen Zwiespalt geschlichtet
haben wollen. Meistens ist es ein wirtschaftlich-tatsächlicher
Anlaß, der die Parteien vor den Richter führt, wenn auch schon
im Hintergrunde, ihnen vielleicht unbewußt, das kranke Recht der
Heilung wartet.
Deshalb ist die Heilung der schlechten Gesetze durch die
Rechtsprechung einmal eine vorübergehende und sodann eine in
der Auswahl zufällige. Denn wenn auch, wie wir oben gesehen