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haben, schlechte Gesetze es sind, die vorzugsweise Prozesse her-
vorrufen, so ist doch bei weitem nicht jedes schlechte Gesetz
Anlaß eines Prozesses und damit einer Heilung. Nicht einmal
eine Abstufung nach der wirtschaftlichen Wichtigkeit der Gesetze
findet statt. So kommt es auch, daß ein und dasselbe schlechte
Gesetz zahllose Male durch ein Urteil „gebessert“ wird, ohne daß
doch der Quell des Streites, der in ihm liegt, verschüttet wird,
während schlechte Gesetze von weit größerer wirtschaftlicher Be-
deutung mangels eines äußeren Anlasses lange Zeit von der
Besserung ausgeschlossen sind.
Die energetischen Folgen dieser Erscheinungen liegen auf der
Hand. Das mangelhafte Gesetz erzeugt trotz vielfacher Recht-
sprechung, die sich darauf bezieht, fortdauernd Streit und Energie-
verlust. Aber noch mehr. Wenn die Entscheidungen über eine
und dieselbe Rechtsfrage, obwohl ihnen die bindende Kraft fehlt,
gleichmäßig ausfielen, so würde vielleicht allmählich ein Zustand
hergestellt, der einer dauernden Heilung des kranken Rechtes
gleichkommt. Es würde zwar nicht an Hartnäckigen fehlen, die
dennoch immer wieder die Rechtsprechung zu Hilfe rufen, um
vielleicht einen Umschwung herbeizuführen oder im Vertrauen auf
ein gewisses „Prozeßglück“. Aber im ganzen würde doch die
von OSTWALD°® und HARTZFELD ® mehrfach behandelte energe-
tische Erscheinung eintreten, daß die nahezu gewisse Voraussicht
eines bestimmten Ergebnisses die Parteien veranlaßt, die mit einem
Streite verbundenen Energieverluste zu vermeiden und kurzerhand
den durch das Urteil voraussichtlich eintretenden Rechtszustand
ohne Streit auf friedlichem Wege vorwegzunehmen. Man spricht
dann von einer Unterwerfung unter eine ständige Rechtsprechung,
wie sie ja auch in der Tat oft genug geübt wird.
Die Entscheidungen der Gerichte über den gleichen recht-
lichen Gegenstand stimmen aber sehr häufig nicht miteinander
5 A. a. 0. 8. 395.
° Der Streit der Parteien (Berlin 1911) S. 10.