Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

— 523° — 
haben, schlechte Gesetze es sind, die vorzugsweise Prozesse her- 
vorrufen, so ist doch bei weitem nicht jedes schlechte Gesetz 
Anlaß eines Prozesses und damit einer Heilung. Nicht einmal 
eine Abstufung nach der wirtschaftlichen Wichtigkeit der Gesetze 
findet statt. So kommt es auch, daß ein und dasselbe schlechte 
Gesetz zahllose Male durch ein Urteil „gebessert“ wird, ohne daß 
doch der Quell des Streites, der in ihm liegt, verschüttet wird, 
während schlechte Gesetze von weit größerer wirtschaftlicher Be- 
deutung mangels eines äußeren Anlasses lange Zeit von der 
Besserung ausgeschlossen sind. 
Die energetischen Folgen dieser Erscheinungen liegen auf der 
Hand. Das mangelhafte Gesetz erzeugt trotz vielfacher Recht- 
sprechung, die sich darauf bezieht, fortdauernd Streit und Energie- 
verlust. Aber noch mehr. Wenn die Entscheidungen über eine 
und dieselbe Rechtsfrage, obwohl ihnen die bindende Kraft fehlt, 
gleichmäßig ausfielen, so würde vielleicht allmählich ein Zustand 
hergestellt, der einer dauernden Heilung des kranken Rechtes 
gleichkommt. Es würde zwar nicht an Hartnäckigen fehlen, die 
dennoch immer wieder die Rechtsprechung zu Hilfe rufen, um 
vielleicht einen Umschwung herbeizuführen oder im Vertrauen auf 
ein gewisses „Prozeßglück“. Aber im ganzen würde doch die 
von OSTWALD°® und HARTZFELD ® mehrfach behandelte energe- 
tische Erscheinung eintreten, daß die nahezu gewisse Voraussicht 
eines bestimmten Ergebnisses die Parteien veranlaßt, die mit einem 
Streite verbundenen Energieverluste zu vermeiden und kurzerhand 
den durch das Urteil voraussichtlich eintretenden Rechtszustand 
ohne Streit auf friedlichem Wege vorwegzunehmen. Man spricht 
dann von einer Unterwerfung unter eine ständige Rechtsprechung, 
wie sie ja auch in der Tat oft genug geübt wird. 
Die Entscheidungen der Gerichte über den gleichen recht- 
lichen Gegenstand stimmen aber sehr häufig nicht miteinander 
5 A. a. 0. 8. 395. 
° Der Streit der Parteien (Berlin 1911) S. 10.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.