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überein. Nicht einmal die Entscheidungen des gleichen Gerichtes
tun dies. Und wenn sie es eine Zeitlang tun, so bildet häufig
die Wissenschaft den Störenfried und stößt eine ständige Praxis
um. Die Ursachen der Verschiedenheit der Rechtsprechung sind
zahlreich. Sie liegen zum Teil auf dem Gebiete der Richteraus-
bildung und Auslese. Zum Teil rühren sie auch davon her, daß
die Prozeßgesetze mit ihren Formvorschriften durch irgendwelche
Zufälligkeiten zu entgegengesetzten Entscheidungen führen. Aber
es gibt noch mehr der Gründe, die hier nicht interessieren.
Der Umstand, daß die Rechtsprechung in ihren Ergebnissen
schwankt, ist aber energetisch von größter Bedeutung, und zwar
in rein formaler Hinsicht, ohne Beziehung auf den materialen und
qualitativen Inhalt der Rechtsprechung. Es wird nämlich durch
das Schwanken die Rechtssicherheit, die Rechtseinheit gefährdet
und damit die Möglichkeit, das Ergebnis eines bevorstehenden
Prozesses vorauszusehen. Gerade in dieser Voraussicht der Fol-
gen und der darauf gebauten friedlichen Regelung sahen wir aber
mit OSTWALD und HARTZFELD ein sehr wesentliches energe-
tisches Moment im Sinne des sozialen, des Kulturfortschrittes.
So verhängnisvoll die Ueberproduktion von Entscheidungen
auf einem bestimmten Gebiete besonders dann ist, wenn die Er-
gebnisse in Raum und Zeit nicht miteinander übereinstimmen, so
schwerwiegend ist auf der anderen Seite der schon berührte Um-
stand, daß es überhaupt nur immer eine kleine Auslese „schlech-
ter* Gesetze ist, die des Vorzuges einer bessernden Rechtsprechung
teilhaftig werden. Die Gerichte können die Gesetze sich nicht
heraussuchen, sondern müssen den Stoff entgegennehmen, der
ihnen zufällig gebracht wird, zufällig natürlich nur im rechtspoli-
tischen, nieht im wirtschaftlichen Sinne.
Es bleibt nun, bevor auf ZEILERS Auslegungsgerichtshof
eingegangen werden soll, nur noch kurz zu erwähnen übrig, daß
die Gesetzgebung die hier erforderliche Arbeit aus technischen
und energetischen Gründen nicht leisten kann, obwohl sie zwei-