Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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Allerdings steht dem Wahlkörper nicht, wie dem Gewählten ® 
das Recht des jederzeitigen Rücktrittes zu. Allein die Versagung 
dieses Rechts beruht auf praktischen und nicht auf grundsätz- 
liehen Erwägungen. Es würde einen äußerst schwerfälligen 
Apparat bedingen, wenn das Abberufungsrecht dem Wahlkörper 
eingeräumt werden wollte. Man wird dem Gedanken, daß die 
Abberufungsmöglichkeit dem Wesen des Verhältnisses entspreche, 
dadurch gerecht, daß die Dauer des Mandates verhältnismäßig 
kurz bemessen wird. In der konstitutionellen Monarchie steht 
dem Fürsten das Recht der Auflösung der Abgeordnetenkammer 
zu, und der Grundgedanke ist hier wohl der, den Wahlkörpern 
Gelegenheit zu geben, ihr allfälliges Nichteinverständnis mit der 
bisherigen Tätigkeit des Mandatars kund zu geben. In einzelnen 
Schweizerkantonen steht dem Volke das Recht der jederzeitigen 
Abberufung des Großen Rates zu‘. 
Das Mandat an den Abgeordneten ist nur Mandat, nicht zu- 
gleich Erteilung einer Vertretungsmacht. Der Abgeordnete wird 
nicht Vertreter im Sinne eines Vollmachtträgers; er ist Vertreter 
nur in dem Sinne, daß er die Anschauungen, Meinungen und 
Wünsche seiner Wähler zur Grundlage seiner Tätigkeit macht. 
Seine Willenserklärungen sind durchaus eigene; der Abgeordnete 
erklärt nicht im Namen seiner Auftraggeber, sondern im eigenen 
Namen; er ist niemandes Vertreter”. 
afıin que leurs electeurs connaissent le sens de leur vote et puissent, s’il 
y & lieu, leur demander des explications.“ 
5 Vgl. LABAnD, Staatsrecht des Deutschen Reiches I S. 340; TEZNER, 
Die Volksvertretung S. 616. Abweichend das französische und englische 
Recht, DuaUvIT a. a. O.II S. 269. 
6 Bern Art. 22, Solothurn Art. 25, Baselland Art. 14, Schaffhausen Art. 44, 
Aargau Art. 29 der Verfassung. 
? LABAND, Staatsrecht des Deutschen Reiches I S. 296. Die Unklar- 
heiten in dieser Beziehung waren jedenfalls auch dadurch veranlaßt, daß 
man lange nicht zwischen Auftrag und Vollmacht, zwischen dem Handeln 
in eigenem Namen und dem Handeln in fremdem Namen klar unterschied. 
Erst LAaBanD, Zeitschrift für Handelsrecht Bd. 10 8. 203 ff., hat diesen 
Unterschied in seiner ganzen Tragweite aufgedeckt.
	        
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