— 5952 —
wägung, dahingehend, das Wahlrecht solchen Personen zuzuer-
kennen, die italienische Bürger seien und ein Alter von 21 Jahren
überschritten hätten. Abgeschafft werden sollte u. a. die Wahl-
unfähigkeit der Analphabeten.
In der zweiten Sitzung am 15. Juni 1904 entwickelte der
Abgeordnete MIRABELLI einen Vorschlag, der auch von anderen
Abgeordneten unterzeichnet war und der das allgemeine Stimm-
recht allen Personen über 21 Jahren mit Einschluß der Frauen
und der noch unter der Fremdherrschaft stehenden Italiener zuer-
kennen wollte.
Der Ministerpräsident GIOLITTI bemerkte jedoch, obwohl er
sich der Beratung nicht direkt widersetzte:
„Der Deputierte MIRABELLI hat so viele Argumente vorge-
bracht, um die politische Fähigkeit der Analphabeten darzutun,
daß seine Rede (man erlaube mir das zu sagen) eine Art Apo-
theose der Unwissenheit war, denn er suchte darzutun, daß die
politische Fähigkeit unabhängig von jeder Art der Kultur sei; daß
man also auch als Analphabet ein politischer Mensch sein könne.
Hiernach hat er gemeint, daß sein Vorschlag in liberalem Sinne
einen großen Fortschritt enthalte. Ich bin der entgegengesetzten
Meinung und glaube nicht, daß die Unwissenheit jemals eine
Freundin der Freiheit und des Fortschritts gewesen ist. Dies ist
meine Meinung!“
Der der gegenwärtigen Reform am nächsten liegende Gesetz-
entwurf ist der, den der damalige Ministerpräsident LUZZATTI in
der Sitzung am 21. November 1910 der Kammer vorgelegt hat.
Jener Gesetzentwurf beabsichtigte, die Berechtigung zur Auf-
nahme in die Wählerlisten von dem Bestehen eines Examens ab-
hängig zu machen, das die Befähigung des Kandidaten dartun
sollte, lesen, einen Druckabschnitt abschreiben, sowie Zahlen lesen
und schreiben zu können.
In dem zweiten Titel des gleichen Gesetzentwurfs wurde die
obligatorische Abstimmung aufgestellt, während in dem dritten