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geben betrachte, wenn jemand das 30. Lebensjahr vollendet hat.
Zweifelhaft würde bleiben, ob das, was man in einer Le-
benserfahrung von 30 Jahren erlernt, in 20 Jahren ebenso voll-
ständig erreicht werden kann bei einem so bescheidenen Grade
literarischer Kultur wie der, den das Gesetz von 1895 verlangt.“
„Aber außer der Lebenserfahrung halten wir daran fest, daß
man dem Mililtärdienst die Wirksamkeit eines mächtigen Faktors
der Volkserziehung nicht absprechen kann, den man wohl als ge-
eigneten Ersatz der Kultur von heute ansehen kann, wie ihn das
Gesetz verlangt.“
„Bei dem Militärleben lernt man die Liebe zum Vaterlande
und seiner Einrichtungen. Die Kenntnis anderer Länder, das Zusam-
menleben mit vielen Kameraden aus andern Gegenden, die Unter-
weisung und der Unterricht, die man der Miliz erteilt, sind alles
Bedingungen, die den Geist wecken und auch den am wenigsten
Gebildeten erziehen.
Auch ist der Militärdienst eine öffentliche Funktion und der-
jenige, welcher verstanden hat, diese in der vorgeschriebenen Zeit
würdig auszuüben, kann sich zur Ausübung anderer öffentlicher
Funktionen auch für fähig halten, für welche keine spezielle und
technische Fähigkeit gefordert wird, wohl aber die Fähigkeit all-
gemeiner Intelligenz und Kenntnis der Bedürfnisse seines Landes
und der Personen, die würdig sind, es zu vertreten.“
Was die andern wahrscheinlichen Wirkungen des erweiterten
Wahlrechts anbelangt, so wurden diese von dem Abgeordneten
Arcoleo in seiner denkwürdigen Rede im Senat meisterhaft aus-
einandergesetzt.
„Jede große Reform“, sagte er, „birgt in sich unbekannte Größen,
die kein Luchsauge eines Staatsmannes vorhersehen kann.
Viele Vorurteile bestehen: vor einigen Jahren fürchtete
man, daß die konstitutionellen Parteien Opfer der Sozialisten
und der Klerikalen bleiben würden, ohne zu beachten, daß die
Archiv des öffentlichen Rechts, XXX. 4. 37