Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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S 8. 
Die Ausdehnung des Wahlrechts kann nicht ohne Rück- 
wirkung auf die Anordnung der ersten Kammer bleiben. 
Der Senator GIORGIO ARCOLEO, dessen meisterhafter Bericht 
über die Reform des Senats zu einem der parlamentarisch wich- 
tigsten zählt, drückte sieh in seiner, in der Sitzung vom 24. Juni 
1912 gehaltenen Rede über die Wahlreform wie folgt aus: 
„Bei den Fundamentalgesetzen muß man sieh nicht an das 
Wünschenswerte, sondern an das Mögliche halten. 
Auch das Parlament hat seine Pflichten: es hat alle Kräfte, 
die unerläßliche Werkzeuge für das öffentliche Leben und die 
Disziplin der neuen Wahl-Rekruten sind, zu organisieren, das 
Wiederaufleben der Versammlungen zu fördern zur Richtsehnur 
und zum Ansporn der Regierung, die in freien Staaten das wahre 
Organ der Volksvertretung sein muß. 
Aber hier stellt sich ein Problem entgegen, welches für jetzt 
zurückgestellt werden kann, das jedoch möglicherweise in späterer 
Zeit wieder erstehen wird. — Der Einfluß des erweiterten Stimm- 
rechts kann sich nicht auf die Volkskammer allein beschränken, 
ausgenommen, wenn man nicht die Allgewalt einer einzigen Kammer 
haben will. — 
Es gebietet dies die Logik, die Erfahrung und die Geschichte. 
Keine hohe Kammer kann unbewegt und unerschütterlich bleiben 
unter dem Druck oder der Bewegung, welche die Ausdehnung des 
Wahlrechts auf die soziale Tätigkeit in den Organen des Staates 
hervorbringt. 
Das Zweikammer-System setzt voraus, daß eine Kammer die 
andere vervollständigt, wie auch ihr Ursprung und die Struktur 
sein mögen. Nur die streng konstitutionellen Staaten können die 
erste Kammer zu einem Oberhofrat der Regierung erklären, wie 
z. B. das Herrenhaus in Preußen, die Kammer der Magnaten in 
Ungarn und den Bundesrat im Deutschen Reiche; hier übt eine
	        
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