Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

— 95897 — 
Staaten, die das Kriegsrecht zu dem Zwecke kodifiziert haben, die Schrecken 
der Kriege zu mildern ; eine Gesellschaft die nach der angeführten Defini- 
tion natürlich keinen Weltstaatenbund darstellt. Nun würde dies freilich 
noch kein Argument gegen seine Annahme in dem oben umschriebenen 
Sinn abgeben. Und ebensowenig ließe sich als Beweismittel dagegen 
verwerten, das die Staaten nie zu erkennen gegeben haben, unter 
welchen juristischen Begriff die im Haag geschaffene Gesellschaft sub- 
sumiert werden müsse. Denn diese gedankliche Arbeit zu verrichten, ist 
gerade Aufgabe des Juristen*, und darin, daß sich ScHÜCKIN@G ihr unter- 
zogen hat, liegt allein schon ein Verdienst Trotzdem aber folgt aus den 
Ausführungen Sch. m. E. nur, daß wir in dem Haager Staatenverband eine 
Organisation vor uns haben, die, wie OPPENHRIM zutreffend ange- 
deutet hat, ein Rechtsgebilde sui generis darstellt. Kann man dies auch 
vielleicht als Weltstaatenbund neueren Stils bezeichnen, um damit 
zu verdeutlichen, daß ein Mehr gegenüber den bisherigen „völkerrechtlichen 
Zweckverbänden“ vorliegt, so unterscheidet es sich doch sicherlich von den 
historischen Vorbildern und entspricht deshalb auch wohl nicht der Defini- 
tion JELLINEKs. Denn deren Interpretation bildet ein in den „Staaten- 
verbindungen*“ (S. 168) aufgestellter Satz, wo es ausdrücklich heißt: „Wenn 
Staaten ein dauerndes politisches Bündnis, dessen Zweck minden- 
stensingemeinsamer Verteidigung besteht, mit ständigen 
Bundesorganen errichten, so entsteht ein Staatenbund“. Wertvoll ist aber 
an der ScHÜCKINnGschen Neubildung m. E. zweierlei: Einmal, daß in dem 
Wort „Staatenbund‘“, deutlich zum Ausdruck gelangt daß wir es mit 
einem Bund und keinem Staat, keinem neuen Rechtssubjekt, zu tun haben, 
sodann daß in ihm das Moment der Ständigkeit, auch der Bundes- 
organe, implizite enthalten ist. Trotzdem vermag ich einer ausdrücklichen 
Sanktion des Namens durch die III. Haager Konferenz, wie SCHÜCKING vor- 
schlägt, nicht zuzustimmen: Vestigia terrent! Gerade das, was der Ver- 
fasser von ihm will, eine erhöhte Friedensgarantie, hat der Staatenbund 
der Geschichte nie gehalten: „La personne de la confederation d’Etats a ete 
condamnee par l’exp6erience; dans toutes les crises et dans toutes les dif- 
ficultes internationales, elle s’est trouvee impuissante & fournir une organi- 
sation solide, une force dirigeante, une volonte clairvoyante*“. 
Ich habe oben von den Organen des Haager Staatenverbandes ge- 
sprochen. Als solche betrachte ich das Bureau und den internationalen 
Verwaltungsrat. SCHÜcKING geht weiter. Denn er sieht in dem Haager 
* Der Laie, der in einer „Leihbibliothek“ ein Buch „entlehnt“, weiß 
in der Regel nicht, daß er einen Mietvertrag schließt. Aehnlich ist es 
beim „Kauf einer Briefmarke“ und in vielen ähnlichen Fällen. Auch hier 
ist es der Jurist, der das Rechtsverhältnis erkennen muß. 
5 Nys, Droit international, 2, 1912, T. I. p. 398. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.