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Staaten, die das Kriegsrecht zu dem Zwecke kodifiziert haben, die Schrecken
der Kriege zu mildern ; eine Gesellschaft die nach der angeführten Defini-
tion natürlich keinen Weltstaatenbund darstellt. Nun würde dies freilich
noch kein Argument gegen seine Annahme in dem oben umschriebenen
Sinn abgeben. Und ebensowenig ließe sich als Beweismittel dagegen
verwerten, das die Staaten nie zu erkennen gegeben haben, unter
welchen juristischen Begriff die im Haag geschaffene Gesellschaft sub-
sumiert werden müsse. Denn diese gedankliche Arbeit zu verrichten, ist
gerade Aufgabe des Juristen*, und darin, daß sich ScHÜCKIN@G ihr unter-
zogen hat, liegt allein schon ein Verdienst Trotzdem aber folgt aus den
Ausführungen Sch. m. E. nur, daß wir in dem Haager Staatenverband eine
Organisation vor uns haben, die, wie OPPENHRIM zutreffend ange-
deutet hat, ein Rechtsgebilde sui generis darstellt. Kann man dies auch
vielleicht als Weltstaatenbund neueren Stils bezeichnen, um damit
zu verdeutlichen, daß ein Mehr gegenüber den bisherigen „völkerrechtlichen
Zweckverbänden“ vorliegt, so unterscheidet es sich doch sicherlich von den
historischen Vorbildern und entspricht deshalb auch wohl nicht der Defini-
tion JELLINEKs. Denn deren Interpretation bildet ein in den „Staaten-
verbindungen*“ (S. 168) aufgestellter Satz, wo es ausdrücklich heißt: „Wenn
Staaten ein dauerndes politisches Bündnis, dessen Zweck minden-
stensingemeinsamer Verteidigung besteht, mit ständigen
Bundesorganen errichten, so entsteht ein Staatenbund“. Wertvoll ist aber
an der ScHÜCKINnGschen Neubildung m. E. zweierlei: Einmal, daß in dem
Wort „Staatenbund‘“, deutlich zum Ausdruck gelangt daß wir es mit
einem Bund und keinem Staat, keinem neuen Rechtssubjekt, zu tun haben,
sodann daß in ihm das Moment der Ständigkeit, auch der Bundes-
organe, implizite enthalten ist. Trotzdem vermag ich einer ausdrücklichen
Sanktion des Namens durch die III. Haager Konferenz, wie SCHÜCKING vor-
schlägt, nicht zuzustimmen: Vestigia terrent! Gerade das, was der Ver-
fasser von ihm will, eine erhöhte Friedensgarantie, hat der Staatenbund
der Geschichte nie gehalten: „La personne de la confederation d’Etats a ete
condamnee par l’exp6erience; dans toutes les crises et dans toutes les dif-
ficultes internationales, elle s’est trouvee impuissante & fournir une organi-
sation solide, une force dirigeante, une volonte clairvoyante*“.
Ich habe oben von den Organen des Haager Staatenverbandes ge-
sprochen. Als solche betrachte ich das Bureau und den internationalen
Verwaltungsrat. SCHÜcKING geht weiter. Denn er sieht in dem Haager
* Der Laie, der in einer „Leihbibliothek“ ein Buch „entlehnt“, weiß
in der Regel nicht, daß er einen Mietvertrag schließt. Aehnlich ist es
beim „Kauf einer Briefmarke“ und in vielen ähnlichen Fällen. Auch hier
ist es der Jurist, der das Rechtsverhältnis erkennen muß.
5 Nys, Droit international, 2, 1912, T. I. p. 398.