Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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Will man ein Analogon aus unserer Gerichtsverfassung, so kann man 
an die Geschworenenur- oder Vorschlagslisten denken. Auch wer in jene 
aufgenommen ist, kann vielleicht einmal dazu berufen werden, als 
Geschworener zu fungieren; es kann jedenfalls in dem betreffenden Jahre keine 
Person das Geschworenenamt ausüben, die in der Liste nicht enthalten wäre. 
Ob aber der Einzelne, der in der Liste steht, berufen werden wird, ergibt das 
Los. Erst dann wird der ständige Schiedsgerichtshof als solcher ein Organ 
des Haager Staatenverbandes sein, wenn er zum wirklichen Gerichtshof 
ausgebaut, wenn die „Cour de justice arbitrale® und der Prisenhof ins Leben 
getreten sein werden 8. — Von seinem Standpunkt aus konsequent, behauptet 
SCHÜCKING, daß schon heute die Urteile des Haager Schiedsgerichts im 
Namen der Signatarmächte des Friedensabkommens zu ergehen hätten. 
Daß ich dem nicht zuzustimmen vermag, ist die logische Folge meiner 
oben dargelegten Meinung. Denn nur ein Organ der Staatengemein- 
schaft könnte in deren Namen judizieren. Ist aber der Schiedshof an sich 
nur eine Institution, eine Liste, aus der ein Schiedsgericht erst konstituiert 
werden muß, so kann er auch nicht den Staatenverband repräsentieren. 
Ganz anders, wenn ein wirklicher Gerichtshof errichtet sein wird. Indem 
hier ständige Richter fungieren werden, die in einer bestimmten Sache 
Recht sprechen, weil sie nicht aus einer Liste entnommen, sondern weil 
sie nach den für die Parteien zwingenden Geschäftsverteilungsmodus gerade 
für diese Sache zur Entscheidung berufen sind und somit den nationalen 
Richtern nur darin nicht gleichen, daß diese kraft staatlichen, jene kraft 
des Vertragswillens der Völkerrechtsgemeinschaft ihr Richteramt bekleiden, 
repräsentieren sie zugleich jene Gemeinschaft. Nur soviel an dieser Stelle. 
hältnis höherer Art (bei Y.) darstellen. Das besagt, daß für X. die Ueber- 
nahme des Schiedsrichteramts Berufspflicht, bei Y. freiwillig über- 
nommene Verpflichtung darstellt. Der Unterschied beim Schiedsgericht 
ad hoc, und dem Haager ist nun der, daß die Partei weiß, daß jede Person, 
die in der Liste steht, auch bereits kraft Ernennung (bei X.) oder Ver- 
trags (bei Y.) verpflichtet ist, im Fall es in concreto von einem der 
Streitteile gewählt wird, die Wahl anzunehmen. In diesem Zusammenhang 
mag noch auf einen Punkt der ScHückInsschen Ausführungen hingewiesen 
werden. Mit vollem Recht wendet er sich dagegen, daß es einem Staate 
freistehen könnte, jederzeit seinen „Listenmann“ wieder abzuberufen. Der 
Grund liegt aber m. E.s darin, daß in der Ernennung auf sechs Jahre, wie 
ihn die Haager Prozeßordnung vorschreibt, zugleich die Erklärung ent- 
halten ist, die betreffende Persönlichkeit nicht aus andern, als bei Wegtall 
der Gründe die für seine Ernennung Voraussetzung bildeten, ihrer Stelle 
zu entheben. 
8 Man wende nicht ein, daß das Friedensabkommen stets vom stän- 
digen Schiedshof spricht. Denn gemeint ist das konkrete Schiedsgericht.
	        
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