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Will man ein Analogon aus unserer Gerichtsverfassung, so kann man
an die Geschworenenur- oder Vorschlagslisten denken. Auch wer in jene
aufgenommen ist, kann vielleicht einmal dazu berufen werden, als
Geschworener zu fungieren; es kann jedenfalls in dem betreffenden Jahre keine
Person das Geschworenenamt ausüben, die in der Liste nicht enthalten wäre.
Ob aber der Einzelne, der in der Liste steht, berufen werden wird, ergibt das
Los. Erst dann wird der ständige Schiedsgerichtshof als solcher ein Organ
des Haager Staatenverbandes sein, wenn er zum wirklichen Gerichtshof
ausgebaut, wenn die „Cour de justice arbitrale® und der Prisenhof ins Leben
getreten sein werden 8. — Von seinem Standpunkt aus konsequent, behauptet
SCHÜCKING, daß schon heute die Urteile des Haager Schiedsgerichts im
Namen der Signatarmächte des Friedensabkommens zu ergehen hätten.
Daß ich dem nicht zuzustimmen vermag, ist die logische Folge meiner
oben dargelegten Meinung. Denn nur ein Organ der Staatengemein-
schaft könnte in deren Namen judizieren. Ist aber der Schiedshof an sich
nur eine Institution, eine Liste, aus der ein Schiedsgericht erst konstituiert
werden muß, so kann er auch nicht den Staatenverband repräsentieren.
Ganz anders, wenn ein wirklicher Gerichtshof errichtet sein wird. Indem
hier ständige Richter fungieren werden, die in einer bestimmten Sache
Recht sprechen, weil sie nicht aus einer Liste entnommen, sondern weil
sie nach den für die Parteien zwingenden Geschäftsverteilungsmodus gerade
für diese Sache zur Entscheidung berufen sind und somit den nationalen
Richtern nur darin nicht gleichen, daß diese kraft staatlichen, jene kraft
des Vertragswillens der Völkerrechtsgemeinschaft ihr Richteramt bekleiden,
repräsentieren sie zugleich jene Gemeinschaft. Nur soviel an dieser Stelle.
hältnis höherer Art (bei Y.) darstellen. Das besagt, daß für X. die Ueber-
nahme des Schiedsrichteramts Berufspflicht, bei Y. freiwillig über-
nommene Verpflichtung darstellt. Der Unterschied beim Schiedsgericht
ad hoc, und dem Haager ist nun der, daß die Partei weiß, daß jede Person,
die in der Liste steht, auch bereits kraft Ernennung (bei X.) oder Ver-
trags (bei Y.) verpflichtet ist, im Fall es in concreto von einem der
Streitteile gewählt wird, die Wahl anzunehmen. In diesem Zusammenhang
mag noch auf einen Punkt der ScHückInsschen Ausführungen hingewiesen
werden. Mit vollem Recht wendet er sich dagegen, daß es einem Staate
freistehen könnte, jederzeit seinen „Listenmann“ wieder abzuberufen. Der
Grund liegt aber m. E.s darin, daß in der Ernennung auf sechs Jahre, wie
ihn die Haager Prozeßordnung vorschreibt, zugleich die Erklärung ent-
halten ist, die betreffende Persönlichkeit nicht aus andern, als bei Wegtall
der Gründe die für seine Ernennung Voraussetzung bildeten, ihrer Stelle
zu entheben.
8 Man wende nicht ein, daß das Friedensabkommen stets vom stän-
digen Schiedshof spricht. Denn gemeint ist das konkrete Schiedsgericht.