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sich die Redner der Mehrheit einig waren. Wie die Verfassung
zu gestalten sei, und welche Rechte der Reichstag in Heeres-
fragen für sich verlangen müsse, darüber herrschte große Meinungs-
verschiedenheit. Die Mehrzahl der Redner zu den Art. 56, 58
und 65 des Entwurfs verlangte für den Reichstag in Bezug auf
das Heer das „absolute uneingeschränkte Budget-
recht,“ wie es die Parlamente in den einzelnen Bundesstaaten
bisher besessen hätten. Unter diesem absoluten Budgetrecht, das
sie für den Inbegriff des wahren Konstitutionalismus hielten, ver-
standen sie zumeist das an keine Schranken gebundene Recht,
alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes jährlich bewilligen
oder versagen zu können. — Die Staatsrechtslehre hat inzwischen
längst erkannt, daß ein solches Recht dem konstitutionellen Prin-
zip direkt zuwiderläuft, daß ein Parlament mit solchen Befugnissen
der alleinige Herr im Staate ist. Auch der Abgeordnete GNEIST!
hatte in seiner Rede gelegentlich der Generaldebatte zum XII. Ab-
schnitte der Verfassung schon auf diese Konsequenz hingewiesen,
ohne jedoch bei seinen Parteifreunden Zustimmung zu finden.
Mit dem Budgetrecht, wie sie es verstanden, gedachten die liberalen
Parteien, alle Wünsche durchzusetzen, inbesondere wollten sie —
wenn dies auch nicht offen ausgesprochen wurde — mit Hilfe
des Budgetbewilligungsrecehtes Einfluß ausüben auf die Friedens-
präsenzstärke und auf die Dienstzeit?. Die Frage, die zu An-
fang den preußischen Militärkonflikt beherrscht hatte, wer zur
Organisation des Heeres verfassungsgemüß berufen sei, trat
demgegenüber vollständig in den Hintergrund. —
Die Anschauungen der Mehrheit verdichteten sich zu Ab-
änderungsanträgen zu den Artikeln 56, 58 und 65 des Entwurfes.
Art. 56 und 58 erhielten nach den Anträgen des Abgeordneten
VON FORKENBECK die Fassung der heutigen Artikel 60 und 62
Abs. I. Mit Rücksicht auf die kriegdrohende politische Lage
ı Bezo1D II. Band Seite 494 ff.
? Vergleiche insbesondere die obige Rede GNEISTS.
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