Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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Intervention zum Zwecke der Selbsterhaltung, die sonst allgemein als Fall 
erlaubter Einmischung aufgefaßt wird, und Intervention im Interesse der 
Erhaltung des Gleichgewichts 1, während er ohne erschöpfend sein zu wollen, 
6 Fälle völkerrechtsgemäßer Intervention anerkennt. Von ihnen werden 
Einmischung des Suzeräns in gewisse Angelegenheiten des Vasallen, Ein- 
mischung auf Grund entsprechender Stipulation, Einmischung auf Grund eines 
Garantievertrages mit dem garantierten Staat sowie auf Grund des den Staaten 
zustehenden Schutzrechts über ihre Angehörigen wohl ohne weiteres gebilligt 
werden können. Weiter will aber OPPENHEIM auch im Falle der Verletzung ei- 
nes durch Gewohnheit oder Kollektivvertrages anerkannten Völkerrechtssatzes 
den übrigen Staaten ein Interventionsrecht gewähren. Es wäre demnach 
ein Einschreiten gegen den Vertragsgenossen z. B. dann zulässig, wenn dieser, 
den Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung zuwider, im Kriege Dum- 
dumgeschosse verwendete ?. Ist das richtig, so muß eine Intervention auch 
dann gestattet sein, wenn in einem Abkommen keine Rechtssätze, sondern 
andere Verpflichtungen enthalten sind. Das meint wohl auch der Verfasser, 
wenn er von einem Recht zur Intervention spricht, „if an external affair 
of a state is at the same time by right an affair of another State“ (S. 190), 
und es als erlaubte Intervention ansieht, wenn England und die anderen 
Kontrahenten des Pariser Friedens von 1856 nach dem Frieden von San 
Stefano gegen Rußland vorgegangen wären. 
Die Ausführungen, die OPPENHEIM bereits in seiner ersten Auflage über 
das völkerrechtliche Delikt gemacht hat, und die zu dem besten gehören, 
was über diese schwierige Materie bislang überhaupt geschrieben worden 
ist, haben noch in verschiedener Richtung Vertiefung erfahren. Insbesondere 
hat der Casablanca-Fall, der eingehend dargestellt wird, Veranlassung ge- 
ı Wie die Balkanfrage in ihrer neuesten Entwicklungsphase zeigt, 
können beide Fälle häufig zusammentrefien. Eine Intervention zum Zwecke 
der Selbsterhaltung war, scheint mir, der Einfall Friedrichs II. in Sachsen 
im Herbst 1756. Hier lag in der Tat ein Verstoß gegen das Völkerrecht 
vor, geboten war aber das Verhalten des großen Königs, wollte er nicht 
von seinen Gegnern erdrückt werden. Eine Intervention zum Zwecke der 
Erhaltung des Gleichgewichts bedeutet in gewissem Sinn auch der Druck, 
den Oesterreich-Ungarn im Anfang des türk.-ital. Krieges auf Italien ausge- 
übt hat, um ein Hinübertragen des Krieges auf den Balkan zu verhüten. 
Auch jetzt nach den ersten Siegen des Balkanbundes zeigen sich Bestrebungen, 
im Interesse der Wiederherstellung des status quo (ameliore) zu intervenieren. 
2 Leider läßt OPPENHEIM die Frage unbeantwortet, ob in derartigen 
Fällen nur Kollektivintervention gegeben ist oder jeder Staat für sich ein- 
schreiten kann. (...,„if a State which is a party to the Hague Regulations 
concerning Land Warfe were to violate one of these Regulations, all the 
other signatory Powers would have a right to intervene“ S. 191.)
	        
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