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„Inselfällen“ ergangenen Entscheidungen des Supreme Court und die dabei
zutage getretenen Verschiedenheiten der Meinungen formuliert Verfasser
die beiden darin enthaltenen systematischen Probleme.
Das erste (B) betrifft die Konstruktion der völkerrechtlichen Verträge,
insbesondere der gebietserwerbenden Verträge: Tritt mit dem vollendeten
Abschluß und der völkerrechtlichen Ratifikation sofort auch die volle inner-
staatsrechtliche Wirkung in jedem Falle ohne weiteres Eingreifen der
Legislative, des Kongresses, unmittelbar ein? Nimmt hier ein gebiets-
erwerbender Vertrag eine besondere Stellung ein? Vom Standpunkt des
deutschen Staatsrechts aus besonders wichtig ist hier in den Erörterungen
über die Konstruktion des Staatsvertrags die Polemik gegen die Unter-
scheidung, einer staatsrechtlichen und einer völkerrechtlichen Geltung von
Staatsverträgen (S. 88 f.), sowie in den Erörterungen über die Konstruktion
des Gebietserwerbes die Aufstellung des allgemeinen Grundsatzes: „Ein
Gebietserwerb ist... für den erwerbenden Staat nichts anderes als die
Konstituierung einer öffentlichen Herrschaftsgewalt über bisher von ihm
noch nicht beherrschte seßhafte Personen, Er hat sich daher nach den
Normen zu vollziehen, die nach dem geltenden Verfassungsrecht für die
Einrichtung einer solchen Gewalt maßgebend sind“ (S. 113). Als die hier-
nach für den Gebietserwerb nötige Form verlangt der Verfasser ein Gesetz
und zwar für das deutsche Staatsrecht, im Unterschied von dem amerika-
nischen, ein verfassungsänderndes Gesetz (8. 118 f.). Mit den nicht seltnen
Verfassungsvorschriften, die lediglich für Gebietsveräußerungen die Ge-
setzesform oder die Mitwirkung des Landtages fordern, setzt er sich
8.102 f. auseinander, indem er insbesondere S. 103 ausführt: Derartige Be-
stimmungen dürfen nicht „als lex specialis aufgefaßt werden, aus der man
mit argumentum e contrario für Erwerbungen bald die Alleinzuständigkeit
des Fürsten, bald das Erfordernis einer Verfassungsänderung folgert. Man
muß sie vielmehr zu einem Analogieschluß auf die gleiche Behandlung von
Gebietserwerbungen verwenden; und das an -die Spitze gestellte allgemeine
Prinzip, daß jede- Gebietsänderung eine Veränderung des Staatsganzen
selbst bedeutet, hat zur Vermittlung dieses Analogieschlusses zu dienen.
Die Gebietsveräußerung war nur der besondere eklatante Fall, an dem jener
allgemeine Satz dem Verfassungsgesetzgeber zum Bewußtsein kam‘.
Vielleicht noch mehr vom Standpunkt des deutschen Staatsrechts aus
bietet die Erörterung des zweiten Problems (C): Greift die gesamte Ver-
fassung des Mutterlandes ohne weiteres und unbedingt auch in dem Kolo-
nialland Platz? Aus diesem Abschnitt seien hervorgehoben die Erörte-
rungen über den juristischen Begriff der Kolonie („ein der Staatsgewalt
aber nicht der Verfassung des Mutterlandes unterworfenes Gebiet“), über
das Verhältnis von Kolonial- und auswärtiger Gewalt, den kolonialen In-
land- und Auslandbegriff, die Polemik gegen die Präsumtion für die Zu-