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sicht, zu organisieren. Mögen die, welche nun einmal ein Vorwärtsschreiten
der Menschheit sich nicht denken können, oder es stetig bekritteln, die
Quietisten und Pessimisten, eine solche Organisation als Utopie verspotten,
sie liegt nicht zuletzt im Interesse der als Staaten organisierten Gemein-
schaften selber. Sie bildet das Endziel menschlicher Vergesellschaftung
und damit den Gipfelpunkt der Anwendung wirklichen Rechts. Daher muß
und wird sie erreicht werden.“
Die Arbeit, die schon durch ihren pazifistischen Grundton sehr sympa-
tisch berührt, hat das große Verdienst, ein etwas vernachlässigtes Problem
des modernen Völkerrechts in ausgezeichneter Weise wissenschaftlich zu
beleuchten. In seiner Grundidee, der Organisation der Staatengemeinschäft,
stimme ich dem Verfasser vollkommen zu. Dagegen bin ich nicht der Mei-
nung, daß jeder Krieg im Dienste des Rechts geführt wird. Der Krieg ist
nach meiner Auffassung nichts als Gewalt, mit der man nun einmal noch
für die Gegenwart rechnen muß. Ich stimme PıLoTY bei, der auf dem
ersten Verbandstage des Verbandes für internationale Verständigung in
Heidelberg 1912 erklärte: „Trotz aller staatsrechtlichen Rechtssätze über
das Militärwesen und trotz aller völkerrechtlichen Grundsätze über die
Kriegsführung, ist der Krieg selbst doch kein Rechtsinstitut, und historisch
betrachtet ist er nur der Rest vom Rechte nicht erfaßten Lebens.“
Wenn die kleine Schrift überhaupt einen Mangel hat, so besteht dieser
darin, daß GROSCH das eng mit seinem Thema zusammenhängende Problem
einer internationalen Polizeimacht nicht erörtert. Bekanntlich hat vor allem
der Professor an der Universität Leiden VAN VOLLENHOVEN! den Vorschlag
gemacht, eine internationale Flotte als Exekutionsinstanz für die Haager
Schiedssprüche und die Befolgung der Rechte der Neutralen zu schaffen.
Männer wie DEN BEER POORTUGAEL, VAN EYSINGA und SCHÜCKING haben
diesen Plan aufgenommen und befürwortet. (Zur Orientierung vergl. be-
sonders die beiden ersten Bände der Sammlung „Das Werk vom Haag“,
wo sich ScHücKkIne dafür, und der Unterzeichnete gegen dieses Pro-
jekt ausgesprochen haben, ferner Friedenswarte, 1912, S. 344).
Da das Problem einer internationalen Polizeimacht bisher noch nicht
eingehend behandelt worden ist, so möchte ich meine Gründe gegen
dieses Projekt an dieser Stelle kurz entwickeln. Vielleicht wird dadurch
irgend ein Gelehrter auf dieses interessante Problem aufmerksam und
schenkt uns eine Monographie. Auch die Behandlung des Themas in einer
Doktordissertation wäre sehr erwünscht. Ich bin, obwohl Gegner des Pro-
jektes, der festen Ueberzeugung, daß man es bisher in der Hauptsache a
limine abgelehnt hat, ohne sich die Gründe dafür oder dawider eingehend
klar zu machen. Einen Grund, den ich selbst in meinem „Kommentar zu
! Vgl. besonders dessen neueste Schrift: „De eendracht van het land“
(Haag, 1913).