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Noch weiter als SEYDEL und seine Gesinnungsgenossen gehen
THUDICHUM ® und FISCHER?°?, die dem Kaiser nicht nur die Ein-
berufung von Reserven, sondern auch die Aushebung von
Rekruten unter Ueberschreitung der gesetzlichen Ziffer auf
Grund des Art. 63 zubilligen möchten. Sie stützen sich hier-
bei sowohl auf die Abstimmungen und Aeußerungen bei der Be-
ratung dieses Artikels im Reichstag 1867, als auch auf $ 6 Abs. V
des Wehrgesetzes, da die Einziehung von Rekruten das minus sei
gegenüber der Einberufung von Reserven. Die Bedeutung der
Friedenspräsenzstärke als einer Maximalziffer ist also hier stark
modifiziert.
In einem ziemlichen Kontrast hierzu steht die Ansicht von
BROCKHAUS®®, der dem Art. 63 IV nur die Wirkung zuschreibt,
daß der Kaiser die gesetzliche Friedenspräsenzstärke nach Ma&ß-
gabe des Art. 53 in die einzelnen Kontingentsziffern zu zerlegen,
also ein einfaches Rechenexempel zu lösen habe, Dagegen ist
PREUSS?’ der von dem Bundeskommissar VON PODBIELSKI bei
der Beratung schon vertretenen und auch von vielen gebilligten
Ansicht, daß der Kaiser auf Grund des Art. 63 IV innerhalb
des Rahmens der gesetzlichen Ziffer nicht nur die Gesamtsumme
des Heeres, sondern auch die Kopfzahl der Bataillone, Eskadrons,
Batterien usw. bestimme. Dem hält LABAND entgegen, daß schon
Art. 63 Abs. III dem Kaiser das Recht gebe, für die Vollzählig-
keit aller Truppen teile Sorge zu tragen.
Alle diese Theorien gehen davon aus, daß prinzipiell Art. 63
IV dem Art. 60 und den Friedenspräsenzgesetzen im Range nach-
gehe, wenn dies Prinzip auch mehr oder weniger durchlöchert ist.
Dabei erörtern weitaus die meisten dieser Schriftsteller lediglich
len Rechtszustand, wie er zur Zeit ihrer Betrachtung be-
stand. Um zu einer richtigen Anschauung zu gelangen, ist es
jedoch unbedingt notwendig, zu unterscheiden zwischen dem
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