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Zeitpunkt des Inkrafttretens der Reichsverfassung
und dem Zeitpunkt der Betrachtung.
S 4.
Die richtige Bedeutung des Gesetzes über die Friedens-
präsenzstärke nach der Reichsverfassung.
Die Reichsverfassung enthält über die ziffernmäßige Höhe des
Heeres zwei Vorschriften, die in Artikel 60 und 63 Abs. IV.
Wenn man diese beiden Bestimmungen: „Die Friedenspräsenz-
stärke wird im Wege der Reichsgesetzgebung festgestellt“
und „Der Kaiser bestimmt den Präsenzstand, die Gliederung
und Einteilung der Kontingente des Reichsheeres“ nebeneinander
hält, so ist man zunächst versucht zu glauben, daß hier zwei
sich widersprechende Bestimmungen getroffen seien. Wenn die
Zahl der Soldaten in Friedenszeiten (und nur von solchen handelt
auch Artikel 63 Abs. IV) vom Kaiser bestimmt wird, kann sie
nicht zugleich im Wege der Reichsgesetzgebung festgestellt wer-
den. Man wird also zunächst in der Verfassung selbst nach
Anhaltspunkten suchen dafür, ob der einen oder der anderen
Bestimmungsart der Vorrang zu geben sei. Die Verfassung
gibt jedoch in dieser Hinsieht keinen Anhaltspunkt. Es kann
aber von einem Gesetz von der Bedeutung der Verfassung nicht
angenommen werden, daß es über einen der wichtigsten Punkte
Bestimmungen enthält, die sich so vollständig widersprechen. Es
muß vielmehr vermutet werden, daß die Worte „Präsenzstand“
und „Präsenzstärke“ verschiedene Bedeutung haben.
A. Diese Ansicht wird zwar allgemein geteilt, und es wird
demgemäß versucht, die Artikel 60 und 63 miteinander in Ein-
klang zu bringen, so daß ein Widerspruch zwischen beiden aus-
geschlossen ist. Aber keiner der bisherigen Deutungen ist es
gelungen, alle Widersprüche zwischen den beiden Bestimmungen
zu beseitigen, ohne der einen oder der anderen Gewalt anzutun.