So hält LABAND°® z. B. die oben entwickelte Theorie, nach
der das Gesetz über die Friedenspräsenzstärke den Maxi-
mal- (jetzt Durchschnitts-Bestand), der Kaiser aber den
Effektiv bestand bestimmt, für eine Lösung jedes Widerspruchs
zwischen Art. 60 und 63 Abs. IV. Daß dies irrtümlich ist, zeigt
sich gleieh darauf, wenn LABAND bei der Untersuchung, ob das
Recht des Kaisers zur Bestimmung des Präsenzstandes mit dem
Fehlen eines Friedenspräsenzgesetzes ebenfalls fortfalle, zu dem
Ergebnis kommt, daß das kaiserliche Recht auch ohne ein
Friedenspräsenzgesetz fortbestehe, und daß es jetzt durch dessen
Schranken nicht mehr beengt, daß vielmehr die Anordnung des
Kaisers jetzt seiner freien Willensbestimmung überlassen sei.
Wenn beı dem Fehlen des Friedenspräsenzgesetzes das kaiser-
liche Recht freier ist als vorher, so muß es doch durch jenes
Gesetz beschränkt gewesen sein; und wenn man durch die ge-
setzliche Feststellung der Friedenspräsenzstärke der Bestim-
mung des Präsenzstandes durch den Kaiser Schranken
ziehen läßt, so heißt das doch der Bestimmungsart des Art. 60
vor der des Art. 63 den Vorrang geben. Voraussetzung für die
Richtigkeit dieser Darstellung des LABANDschen Gedankenganges
ist, daß LABAND die Beschränkung des kaiserlichen Rechtes nicht
erst aus den einzelnen Gesetzen über die Friedenspräsenz-
stärke herausliest, sondern schon aus der Reichsverfassung selbst.
Da LABAND nicht scharf unterscheidet zwischen dem Zeitpunkt
des Inkrafttretens der Verfassung und der Zeit seiner Betrachtung,
ist dies nicht klar ersichtlich. Daß die hier gegebene Darstellung
seiner Idee indes zutreffen dürfte, ergibt sich wohl daraus, daß
er ®® sagt: Der richtige Sinn des Art 63 Abs. IV sei, daß
der Kaiser befugt sei, den Präsenzstand niedriger als das
Gesetz zu bemessen.
Damit ist klar gesagt, daß die beiden Bestimmungsarten des
®8 Band IV S, 87.
n. 87.
Archiv des öffentlichen Rechts. XXX. 1/2. 5