Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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Präsenzstandes (Gesetz und kaiserliche Anordnung) einander nicht 
koordiniert sind; die erstere geht der letzteren vor. Ist aber eine 
der anderen subordiniert, so ist es nur eine andere Ausdrucks- 
weise, hierfür zu sagen: Die beiden Artikel der Verfassung wider- 
sprechen sich zwar eigentlich, aus dem oder jenem Grunde 
ist jedoch dem einen vor dem anderen der Vorrang zu geben. 
Ein Anhaltspunkt für eine solche Bevorzugung müßte aber in der 
Verfassung selbst gegeben sein. An einem solchen fehlt es jedoch 
zweifellos ; wenigstens ist bisher noch keiner nachgewiesen 
worden. Durchaus möglich wäre es freilich, wie weiter unten 
gezeigt werden soll, daß ein nach der Reichsverfassung er- 
gangenes Gesetz, wie z. B. die Friedenspräsenzgesetze, eine aus 
der Verfassung entspringende Befugnis beschränkte. Für das 
Verständnis der Verfassung ist es aber, wie schon betont, uner- 
läßlich, solche Gesetze zunächst aus dem Spiele zu lassen. 
Diejenige Spielart der LABANDschen Theorie, die dem Kaiser 
inbesonderen Notfällen ein Recht zur Ueberschreitung 
der gesetzlichen Friedenspräsenzziffer zuerkennt, leidet an einer 
unbegreiflichen Inkonsequenz. Entweder wird der Kaiser be- 
schränkt durch Art. 60 oder nicht; ein Mittelding gibt es 
nicht, wenigstens nach der Verfassung nicht. Für die Regel 
läßt aber auch diese wie die LABANDsche Theorie den Wider- 
spruch zwischen der Zuständigkeit des Kaisers und der Gesetz- 
gebung bestehen. 
B. Zu der gleichenKonsequenz muß aber jede 
Theorie führen, die demnach Artikel 60 zuer 
lassenden Gesetze organisatorische Bedeutung 
beilegt. Daß das Recht des Kaisers aus Artikel 63 Abs. IV 
sich auf die Heeresorganisation bezieht, ist klar und unwider- 
sprochen. Also muß jede Auslegung des Friedenspräsenzgesetzes, 
die auch diesem Verfügungsgewalt für die Heeresor- 
ganisation zumißt, zueinem Widerspruch dieses Gesetzes 
mit dem Art. 63 führen. Daß wohl ein nach der Reichsver-
	        
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