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fassung ergangenes Gesetz, nicht aber diese selbst einen solchen
Widerspruch enthalten kann, ist schon dargelegt worden. Wenn
also Artikel 60 und das darin vorgesehene Gesetz keine or-
ganisatorische Bedeutung haben kann, welchen
Inhalt hat es dann? Die Antwort auf diese Frage ist bereits
gegeben worden: Unzweifelhaft hat das Gesetz über die Friedens-
präsenzstärke finanzielle Bedeutung; es ist eine gedachte
Ziffer, die dem Budget normalerweise zu Grunde gelegt werden
muß. Nur diesen Inhalt hat das Friedenspräsenzgesetz
nach der Reichsverfassung. Jede andere Theorie führt
zu einem Widerspruche der Artikel 60 und 63, während diese
Auslegung alle Zweifel in einfachster Weise löst. Die richtige
Bedeutung des Friedenspräsenzgesetzes nach der Reichsverfassung
ist also folgende:
Das Gesetz über die Friedenspräsenzstärke schafft die
Grundlage, auf der das Militärbudget aufgebaut werden muß. Es
bindet den Reichstag und den Bundesrat bei der Be-
willigung des Etats nach allgemeinen budgetrechtlichen Grund-
sätzen. Der Kaiser dagegen bestimmt, wieviel Soldaten zu
jeder Zeit des Jahres unter den Fahnen gehalten werden sollen.
Hierbei ist er weder nach oben, noch nach unten durch die ge-
setzliche Ziffer beschränkt. Schranken sind ihm bei der Aus-
übung dieses Rechtes lediglich gesetzt durch das Budgetbe-
willigungsrecht des Reichstags und Bundesrats, wie bei allen
anderen Verwaltungen auch. Einen mittelbaren Einfluß auf
die Ausübung seines Rechtes äußert das Gesetz über die Friedens-
präsenzstärke nur insofern, als es die Grundlage des Etats bildet,
und der Kaiser diesen nicht überschreiten darf, ohne die Not-
wendigkeit dieses Schrittes darzutun und nachträglich um Indem-
nität nachzusuchen. Rechtliche Schranken zieht es dem
Kaiser jedoch nicht; mit anderen Worten: der Kaiser handelt
ebensowenig verfassungswidrig, wenn er die gesetzliche
Ziffer überschreitet, als wenn er inirgend einer andern Verwaltung
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