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Ausführungsgesetzes ergibt, daß vielmehr grade auf sie großes
Gewicht gelegt wird. Es heißt darin ausdrücklich, bei der Auf-
stellung des Gesetzentwurfs sei der Gedanke maßgebend gewesen,
daß eine Auslieferungsverpflichtung nur gegenüber denjenigen
Staaten tibernommen werden solle, „die ihrerseits nach Lage der
eigenen Gesetzgebung Gegenseitigkeit üben können“®. Das Deutsche
Reich will hier, wie auch sonst, nur dann zur Auslieferung ver-
pflichtet sein, wenn es im umgekehrten Falle einen Auslieferungs-
anspruch geltendmachen und durchsetzen kann. Dazu ist es
materiell notwendig, daß die im Uebereinkommen aufgeführten
Tatbestände des Mädchenhandels ın beiden Vertragsstaaten unter
Strafe gestellt sind, daß m. a. W. die Klausel beidersei-
tiger Strafbarkeit gewahrt ist”. Auf diesen Anschauungen
sind auch die Verträge des Deutschen Reiches mit Großbritannien,
Spanien und den Niederlanden aufgebaut, sonst hätte nach der
Begründung des Ausführungsgesetzes der Reichskanzler die Aus-
lieferungsabrede für sie nicht als wirksam bekanntmachen können.
Der deutsch-englische und der deutsch-spanische Vertrag haben
zwar die Klausel beiderseitiger Strafbarkeit im Gegensatz zu dem
deutsch-niederländischen, der sie in Artikel 1 ausdrücklich enthält,
nicht besonders aufgenommen. Es ergibt sich aber grade aus der
Denkschrift zu diesem letzteren Vertrage mit den Niederlanden,
daß die Reichsregierung sie für sämtliche Reichskonventionen als
geltendes Recht ansieht, sie aber neuerdings noch stärker und
ausdrücklich betonen zu sollen glaubt®. Der Mädchenhandel ist
demnach im Auslieferungsverkehr des Deutschen Reiches mit Gro&ß-
britannien, Spanien und den Niederlanden nur dann aus-
lieferungspflichtig, wenn im Einzelfall der
Tatbestand sowohl nach deutschem wie auch,
° Vgl. Begründung vom 7. Februar 1912 (Anm. 4).
?’ Vgl. METTGENBERG, Die Reziprozität im deutschen Auslieferungsrecht
(1909) in diesem Archiv Bd. 25 namentlich S. 88 fg. und 114 fg.
° Vgl. METTGENBERG, Reziprozität (vorige Anm.) S. 46 fg.