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nicht beeinträchtigt, sondern sogar gehoben worden. So ist es systematisch
unrichtig, Rechtsanwaltschaft, Rechnungs- und Kassenbeamte, Gefängnisse
und Justizverwaltung unter der Rubrik „die Gerichtsbarkeit ausübende
Behörden“ zu behandeln. Die besonderen Gerichte hätten danach
gruppiert werden können, ob sie reichsrechtlich bestellt oder reichsrechtlich
zugelassen sind. Doch sind dies kleine und zudem nur äußerliche Ausstel-
lungen, die keinen Grund bilden, dem die gegenwärtige Rechtslage getreu-
lich und gewissenhaft darstellenden Buche nicht die Anerkennung als prak-
tisch wertvolle und empfehlenswerte Arbeit zu zollen.
Posen. Professor Dr. Friedr. Giese.
Dr. Miloslav Stieber, Universitätsprofesor in Prag, Böhmische
Staatsverträge. Historischer Grundriß. I. Abteilung, seit Pre-
mysl Ottokar ll. bis zur Gründung des habsburgischen Reiches. For-
schungen zur inneren Geschichte Oesterreichs, herausgegeben von
Prof. Dr. ALrons Dorscna. Heft 8 Innsbruck. Verlag der Wagner-
schen Universitätsbuchhandlung. 1912. XIV u. 192 S. Geb. Mk. 7.—.,
Der Titel dieses Buches führt irre: es handelt sich nicht um eine histo-
rische Darstellung, sondern um eine systematische Zusammenstellung aus
338 Akten böhmischer Herrscher aus der Zeit von 1153 bis 1515. Die
Methode der Verarbeitung ist verfehlt. Um diese Akte gleichmäßig zu ver-
werten, qualifiziert sie STIEBER alle als „Staatsverträge* ; um das zu können,
muß er eine gewisse völkerrechtliche Selbständigkeit Böhmens annehmen
(S. 1ff.). Es bedeutet aber schon ein verwirrendes Hineintragen moderner
Völkerrechts- und Staatsrechtsbegriffe in heterogene Verhältnisse, wenn
man für das Mittelalter ohne weiteres von „Staatsverträgen“ reden will;
zumal die staatsrechtliche Natur des mittelalterlichen Reichs, ganz abge-
sehen von der Revisionsbedürftigkeit der Souveränitätslehre, bis heute
rechtshistorisch einigermaßen kontrovers ist. Man kann aus hundert Han-
delsverträgen der letzten zwanzig Jahre eine systematische Darstellung des
geltenden Handelsvertragsrechts bei einiger Vorsicht vielleicht herauskon-
struieren. Aber um fürstliche Akte des 12. Jahrhunderts mit solchen aus
dem 16. Jahrhundert zu vergleichen, bedarf es historischer Kritik. Die
fehlt vollkommen, wenn man Bestimmungen über Territorialveränderungen,
Schiedsabreden usw. aus diesen ganz verschiedenen Perioden sammelt, um
daraus ein Territorialitätsrecht, ein Schiedsrecht usw. für die ganze Zeit
abzulesen. Die materiellen Grundlagen des gesamten Staatslebens, d. h.
die innere Struktur der Staatsbürgerschaft, das Verhältnis der Bevölkerungs-
klassen zueinander, zum Herrscher und zu fremden Untertanen haben sich
während der langen Zeit völlig geändert. Das Grundproblem: die Wand-
lung der Organisation einer Bevölkerung innerhalb eines politischen Ord-
nungsgebietes, muß den Ausgangspunkt verfassungsrechtlicher Darstellungen
aus der Vergangenheit bilden. Nur auf solcher Grundlage wäre eine frucht-