Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 31 (31)

— 1435 — 
bare Erörterung über den Schiedsgerichtsgedanken, die Idee des Staats- 
gebietes usw. an der Hand einzelner Abreden und sonstiger Zeugnisse 
möglich. 
Die Arbeit STIEBERs kommt denn auch zu juristisch-dogmatisch sehr 
anfechtbaren Resultaten. Die juristische Einsicht in die Verhältnisse, der 
Blick für den „springenden Punkt“ fehlt. Schon das System, das STIEBER 
aufstellt, ist sonderbar: „I. Aeußere Vertragsseite; II. Vertragsinhalt‘; und 
Unterabteilungen: zu I: „Vertragssubjekte, -bedingnisse, -form, Bekräfti- 
gungsmittel‘; zu IT: „Ehrentitel, Heiratsverträge, Territorialverträge, poli- 
tische Verträge, Verwaltungsverträge, Verträge über Regelung des Straf- 
und Privatrechts, Schiedsgerichtsverträge“. In diese naive, durch eine 
Menge Unterabteilungen weiter gegliederte Ordnung ist der Inhalt der 
388 „Verträge“ hineingepreßt, wobei überall störend mitwirkt, daß alles 
Recht nur aus den Verträgen herausgelesen wird. Mittelalterliche Verträge 
sogut wie Gesetze sind für uns Erkenntnisquellen des früheren Rechtszu- 
standes neben anderen, niemals, wie das heute der Fall sein kann, 
unmittelbare einzige Grundlage bestehender Rechtsordnung. Erst im Licht 
historischer Würdigung können wir von der einen oder anderen alten Ge- 
setzesbestimmung feststellen, ob und inwiefern sie das ehemals geltende 
Recht geändert hat oder bestätigt. Wenn es unter „Publizierung“ bei 
STIEBER heißt (S. 47): „Die geschlossenen Verträge werden auf den Märk- 
ten öffentlich publiziert oder den Beamten und Untertanen mitgeteilt“, so 
sagt das garnichts und ist außerdem falsch. Welche Verträge werden 
„mitgeteilt“, welche „öffentlich publiziert“? Darauf käme es in einer sy- 
stematischen Darstellung an. Tatsächlich bestand darüber keine von 1200 
bis 1500 gleiche Regel. Viele der angezogenen Vertragsbestimmungen sind 
überhaupt nicht „publiziert“ oder „mitgeteilt“ worden. Unter „Neutralität“ 
heißt es (S. 110): „Wie anderwärts schließt man auch mit den böhmischen 
Königen die Neutralitätsverträge*. Die mittelalterlichen Abmachungen, in 
einen Kampf nicht einzugreifen, haben mit der neuzeitlichen Neutralität, 
bei der eine Regierung eine bestimmte Verantwortung für die Handlungen 
ihrer Staatsbürger übernimmt und ihnen zugleich für bestimmte Hand- 
lungen den normalen Schutz versagt, juristisch nichts gemein!. Will man 
durchaus den modernen Begriff auf die alten Verhältnisse anwenden, so 
geht das nur auf Grund eines historischen Vergleichs der Einrichtungen, 
die man unter dem gleichen Namen zusammenfassen möchte; andernfalls 
ist die Folge notwendig Verwirrung der Anschauung und schließlich der 
Begriffe. Unter Schiedsverträgen heißt es (8. 137): „Eine Lösung der Streit- 
fälle ist unumgänglich. Die Verträge wären ja wirkungslos, wenn es keine 
Macht gäbe, welche sie zur Geltung brächte. Ein ungelöster Streit würde 
den Vertrag aufheben und die Feindschaft unter den Parteien neuerlich 
eröffnen“ usw. Aehnlich oberflächliche Argumentationen verwendet STIEBER 
ı Der moderne Neutralitätsbegriff begegnet zum erstenmal 1429.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.