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Konfession, die reformierte Kirche und der israelitische Kultus besitzen
als solche nicht die Rechtsfähigkeit; diese ist durch die französische
Gesetzgebung nur bestimmten Einzelorganisationen dieser Religionsgesell-
schaften, z. B. den Kirchenfabriken, dem Pfarrgut und den protestantischen
Pfarreien und Konsistorien, im israelitischen Kultus den Bezirkskonsistorien
verliehen. Diese Organisationen sind dadurch zu Öffentlichen Anstalten
geworden. Bei dieser Gelegenheit kommt eine interessante Streitfrage zur
Erörterung, ob nämlich die nicht anerkannten Religionsgesellschaften, die
sogen. Sekten, zur Erlangung der Rechtsfähigkeit gesetzlicher Ermäch-
tigung bedürfen. Die französische Gesetzgebung hatte bei der geringen
Bedeutung, die das Sektenwesen in Frankreich, namentlich auf dem Ge-
biete des Vermögensrechts besaß, nur wenig Anlaß, sich mit dieser Ma-
terie zu befassen. Die Bestimmungen des Art. 3 des Dekrets v. 19. I.
1859, wonach es zur öffentlichen Ausübung eines vom Staat nicht
gesetzlich anerkannten Bekenntnisses der Ermächtigung des Staatsober-
haupts — jetzt des Statthalters (Allerhöchst. Erlaß v. 23. 11. 1907 RGBl.
S. 759) — bedarf, ist polizeilicher Natur. Sie ist weder durch das
els.-1. Vereinsgesetz v. 21. 7. 1905 noch durch das RVG. v. 19. 4. 1908 noch
durch $ 25 des els.-l. Verf.-Ges. v. 31. 5. 1911 beseitigt worden. Die zuletzt
genannte Bestimmung stellt lediglich den für E.-L. bereits durch Art. I und
10 der Erklärung der Menschenrechte v. 26. 8. 1789 sowie durch die Dekrete
v. 24. 12. 1789 und 27. 9. 1791 schon mehr als ein Jahrhundert lang aner-
kannten Satz der Gleichberechtigung der Bekenntnisse in bürgerlicher und
staatsbürgerlicher Beziehung auf eine reichsrechtliche Grundlage (And.
Ans. LABAND, Staatsrecht 5. A. 1I. S. 258). Das französische Recht kennt
keine Vorschrift, welche den Erwerb der Rechtsfähigkeit durch die Sekten
an ein Gesetz knüpft oder sonstigen, dem öffentlichen Recht angehörigen
Voraussetzungen unterwirft. Sie sind also besser gestellt als die Anstalten
und Genossenschaften der anerkannten Religionsgesellschaften — ein merk-
würdiges Ergebnis, das wohl hauptsächlich KıscH (Els.-]. Landesprivatrecht
S. 159) veranlaßt hat, gegenteiliger Meinung zu sein; indessen läßt sich
diese letztere Meinung auf Rechts gründe nicht stützen.
Unter die geistlichen Gesellschaften fallen die Orden und Kon-
gregationen (der Unterschied zwischen beiden liegt lediglich auf
kirchlichem Gebiet); sie erlangen erst mit der staatlichen Autorisation die
Rechtsfähigkeit. Im einzelnen ist zu unterscheiden zwischen Männer- und
Frauenorden und -kongregationen. Erstere können seit dem Gesetz v. 2.1.
1817 staatliche Autorisation nur durch Gesetz erlangen; die Verf. ver-
treten diesen Standpunkt im Anschluß an die Rechtsprechung des Kassa-
tionshofes mit Recht. Den Frauenkongregationen ist der Erwerb der staat-
lichen Ermächtigung und damit der Rechtsfähigkeit weniger erschwert.
Nach Art. 2 des Ges. v. 24. 5. 1825 und Art. 1 des Dekr. v. 31. 1. 1852
ist eine Ermächtigung durch Gesetz nur erforderlich, wenn die Genossen-