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Entweder verfolgte auch der ungarische Reichstag den gleichen
Zweck wie der Reichsrat, dann dachte er nicht an die widerruf-
liche konstitutive Befähigung APPONYIs, oderer dachte nur an diese,
dann muß ihre Konstitutierung als gescheitert angesehen wer-
den, weil es dem österreichischen Reichsrat nicht einfiel, auf einen
zu nichts verpflichtenden Akt einzugehen. Dann besteht ein recht-
liches Vacuum. Die vom Kaiser für die Anerkennung der ungarischen
Verfassung aufgestellte Bedingung der Sicherung der Lebens-
bedingungen des Bestandes der Monarchie ist vereitelt, und
die Revision der ungarischen Verfassung im Sinn dieser Be-
dingungen muß von neuem beginnen®. Dann ist auch
dieFragenach der rechtlichen Natur der histo-
rischen Staatsschulden eineoffene sowohl für die
Reichsratsländer als auch für das Ausland. Soweit
aber die Rechtsauffassung des Monarchen, der doch ein paritä-
tischerFaktorder ungarischen Gesetzgebung ist,
in Betracht kommt, so ist sie in klarer Weise kundgegeben, in dem
Handsehreiben vom 14. November 1868, worin er die österreichisch-
ungarische Monarchie als die Gesamtheit der unter seinem Zepter
verfassungsmäßig vereinigten Länder definiert, ganz be-
sonders aber in dem Reskript vom 20. Oktober 1871 an den
böhmischen Landtag, worin die von diesem vorgeschlagenen
Fundamentalartikelals Verletzung der Verein-
barung der Legislativen beider Teile der Ge-
samtmonarchie abgelehnt werden, die nur auf
demselben Wege, wie siezustandgekommen, ge
ändert werden könne. Aber auch jene Debatte im ungarischen Ab-
geordnetenhaus, die sich im Herbst 1893 über das Wesen des un-
garischen Ausgleichgesetzes entwickelte, knüpft an die Antwort des
nach der Lehre von der Souveränität der Nation der König sich ihrem
Willen auf die Dauer nicht widersetzen kann, ohne diese verfassungsmäßige
Souveränität und hiemit zugleich den Fundamentalsatz der Verfassung zu
verletzen.
45 TEZNER, Res hungaricae S. 506 f.
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