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der Krönung ihres Königs um die Nationalisierung ihrer Truppen,
um eine ungarische Notenbank, um ihre zollrechtliche Absonde-
rung von den nichtungarischen Ländern kämpfen, muß sie sich
von „Wien‘ sagen lassen, daß bis auf weiteres an die Zolltren-
nung des souveränen Ungarn von den Reichsratsländern nicht
zu denken sei”, was mittels des doktrinellen Begriffes der Sou-
veränität nicht begriffen werden kann, so hätten die Reichsrats-
länder, wären sie jemals ein souveränes, organisiertes Volk gewesen,
sich der ıhnen auferlegten Ausgleichsnötigung nie gefügt und die
mit dem Jahre 1897 intensiv einsetzende, die gewagtesten advokati-
schen Jongleurstücke überbietende Um- und Wegdeutung des Aus-
gleichs, namentlich aber das Programm des Neunerkomitees, mit
der sofortigen Trennung beantwortet. In Wahrheit erschöpfte
sich die vermeintliche Souveränität der Reichsratsländer in der
Einsetzung eines ratlosen Ausschusses des Abgeordnetenhauses
zur Erörterung der österreich-ungarischen Frage — desselben
Ausschusses, der auch nicht das schwächste Lebenszeichen von
sich gegeben hat und in ohnmächtigen Kundgebungen im
österreichischen Abgeordnetenhaus und in der österreichischen
Delegation gegen magyarische Willkür.
VI. Die Staatsrechtswissenschaft ist bis heute zu keiner be-
friedigenden Konstruktion des Phänomens der Trennung des We-
sens der Rechtsmacht von der ihr angemessenen Form gelangt.
Man denke an den Gegensatz zwischen der Rechtsstellung des
englischen Parlaments und den formellen Rechten des Königs,
an die modernen Formen der Okkupation türkischen Gebietes.
unter Wahrung der Souveränität des Sultans, an das
historische Beispiel des Deutschen Reiches römischer Nation zur
Zeit seines Verfalles. Man bescheidet sich, eine Termino-
lo g ie für dieses Verhältnis zu schaffen. Man spricht vom Kon-
268 Res hungaricae S. 539. Am 23. September 1905 verwies der Kaiser
eine Deputation der Majorität des ung. Reichstags für die Revision der
1867er Basis auf ein Kompromiß zwischen beiden Staaten.