— 11 —
ventionalismus, von der normierenden Kraft des Faktischen, oder
wie Apponyi, von den irreduktiblen durch keine Rechtsform und
keine Theorie aus der Welt zu schaffenden, rechtswirksamen Tat-
sachen, von Verfassungswandlungen, vom Gegensatze zwischen ima-
ginärem und realem oder empirischem Staatsrecht, zwischen Rechts-
Schein und Rechts-Sein, zwischen papierenem und lebendigem Recht
usw. Apponyi wird der Sache nicht gerecht und tritt andererseits mit
seiner Theorie von den irreduktiblen Tatsachen in Widerspruch,
wenn er hier überall nur das formelle Recht als solches gelten
lassen will und in der Betonung des machtvollen Rechts
gegenüber dem formellen aber machtlosen oder des stärkeren ge-
genüber dem formellen schwächeren eine Verwechslung von Recht
und Politik erblickt. Denn es handelt sich hier überall um eine
rechtliche Wirkungen auslösende Macht, um Rechtsmacht
und Rechtswirksamkeit, wie sie die Zentralisation unleugbar aus-
geübt hat. Nun hat die koerzitive Funktion des Regenten der
Monarchie von Oesterreich in verschiedenen Akten wie in der
pragmatischen Sanktion, in der Proklamation des Kaisertitels, in
dem Handschreiben vom Jahre 1868 zweifellos ihren formalen
rechtlichen Ausdruck gewonnen. Allein seit 1897 ist es der
magyarisch-oligarchischen Aristokratie gelungen, eine Reihe von
formal-rechtlichen Akten zu erwirken, welche die formelle
Ausprägung jener Funktion zu verdunkeln geeignet sind. Die
Rechtswirklichkeit läßt uns aber alle diese Akte als hypothetisches,
potentielles Staatsrecht erscheinen, dessen Bedeutung als Nöti-
gungsmittel gegenüber dem Monarchen und den ohnmächtigen
Reichsratsländern sicher nicht unterschätzt werden darf,
mit welchem aber: ohne die für Ungarn unmögliche Etablierung
als isolierten souveränen Staates niemals voller Ernst gemacht
werden kann.
Es läßt sich darum kaum eine oberflächlichere Parallele den-
ken, als welche die Doktrin zwischen der Union der national ein-
heitlichen, exzentrisch gelegenen Reiche Schweden und Nor-