—_— 265 —
Diese Frage bildete sowohl in Oesterreich, wie in Ungarn häufig
den Gegenstand administrativer Verfügungen, indem die während
der Dauer des Absolutismus nach Ungarn übersetzten und dort
im Staatsdienste verwendeten österreichischen Regierungsbeamten
sich nach 1867 in großer Anzahl sowohl an die ungarische, als
an die österreichische Regierung behufs Feststellung bezw. Aner-
kennung ihrer ungarischen Gemeindezuständigkeit wendeten.
Es ist aber keineswegs der herrschende Standpunkt in der
österreichischen Rechtsauffassung, welcher in diesen, dem unga-
rischen Standpunkte zuneigenden regierungsbehördlichen Entschei-
dungen zutage tritt, und wir begegnen sowohl in der öster-
reichischen administrativen!®e, wie in der gerichtlichen Praxis !7
auch Dokumenten der entgegengesetzten Auffassung, nämlich sol-
chen Entscheidungen, welche vom Jahre 1849 bis zur Schaffung
16 Siehe die Entscheidung der k. k. niederösterreichischen Statthalterei
vom 4. März 1880. Z. 7863, laut welcher auf Grund der am 10. Oktober
1867 erfolgten Aufnahme eines ungarischen Staatsangehörigen in den Ver-
band einer österreichischen Gemeinde, die österreichische Staatsbürgerschaft
der betreffenden Person anerkannt wurde, mit der Begründung, daß „zur
Zeit dieser Erwerbung des Heimatrechtes für die ganze Monarchie, also
auch für Ungarn nur ein Staatsbürgerrecht bestand‘. („Oest. Zeitschrift
f. Verwaltung“. 1880. Nr. 14. S. 61.) Noch weiter geht z. B. die Ent-
scheidung der k. k. Bezirkshauptmannschaft in J. vom 1. November 1887.
Z. 18584, laut welcher „es bis zum Jahre 1868 ein vom österreichischen
Staatsbürgerrechte verschiedenes ungarisches Staatsbürgerrecht nicht gab“.
(Oest. Zeitschrift f. Verwaltung“. 1888. Nr. 20.)
17 2.B. das Erkenntnis des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes
vom 11. Dezember 1891 Z. 3976: „,. weil nach den früheren Gesetzen ein
beide Reichshälften umfassendes Staatsbürgerrecht bestanden hat...“
(Bupwinskı: „Erkenntnisse des k. k. Verwaltungsgerichtshofes‘. Jahr-
gang XV. Wien 1891. 8. 912.) Dieser Standpunkt kommt indirekt auch
in dem Erkenntnisse des österreichischen Reichsgerichtes vom 14. Oktober
1884 Z. 178 zum Ausdrucke: „... Dabei kommt nicht in Betracht, daß vor
dem Jahre 1848 auch ein abgesondertes ungarisches Staatsbürgerrecht be-
standen hat“. (Hye: „Sammlung der nach gepflogener öffentlicher Ver-
handlung geschöpften Erkenntnisse des k. k. Österreichischen Reichsge-
richtes“, Wien, 1886. VII Teil S. 92.)