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Epoche stammenden strittigen Fragen können auch heute nicht
als abgeschlossen betrachtet werden, da, wie erwähnt, für die
Deszendenten die Frage der Beurteilung der staatsbürgerlichen
Verhältnisse für die Dauer dieser Uebergangszeit auch heute noch
eine praktische Bedeutung erlangen kann.
So stand die Sache der Staatsbürgerschaft iu Ungarn, als die
durch den Absolutismus gestörte Rechtsordnung restituiert wurde
und die Rechtskontinuität auch auf dem Gebiete der staatsbürger-
rechtlichen Verhältnisse herzustellen gewesen wäre, d. h. daß die
vor der Suspendierung der Verfassung gültigen diesbezüglichen
Rechtsnormen restituiert werden sollten. Hier bestand aber die
Schwierigkeit, daß vor dem Jahre 1848 keine positiven Rechts-
normen über die Regelung der Staatsbürgerschaft erbracht worden
sind, gewohnheitsrechtliche Grundsätze aber sich nur in mangel-
hafter Weise ausbildeten und neben den seither veränderten Ver-
hältnissen auch diese zum größten Teile obsolet geworden sind.
Es fehlte also die positivrechtliche Grundlage, auf welche die Be-
hörden sich bei der Entscheidung der einschlägigen Fragen hätten
stützen können. In Ermangelung des positiven Rechtes konnten
sich auf den komplexen Regelungsgebieten der staatsbürgerlichen
Verhältnisse keine einheitlichen Regeln ausbilden und die Praxis
war selbst in den hauptsächlichsten Fragen schwankend und un-
sicher.
Die allgemeine Rechtsunsicherheit, welche ihren Ursprung
Min. des Inn. hat aber in seiner an das ung. Min. des Inn. gerichteten Note
vom 11. Mai 1873 Z. 6540 erklärt, daß es dem Grafen H. den Besitz des
nach Art. 1 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867 für die Angehö-
rigen der im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder bestehenden
allgemeinen österreichischen Staatsbürgerrechtes nicht zuzuerkennen ver-
mag, da ihm zwar im Jahre 1852 von dem damaligen Ministerium des In-
nern tatsächlich die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen wurde,
die Verleihung aber auf Grund der Zusicherung der Aufnahme in den Ver-
band einer ungarischen Gemeinde erfolgte und der Betreffende daher nicht
als Angehöriger irgend einer österreichischen Gemeinde erscheint. („Oest.
Zeitschrift f. Verwaltung“ 1873. Nr. 47. S. 187.)
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