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Ministerialerlaß, andere Beweise können sie aber zur Bekräftigung
ihrer Behauptung nicht vorbringen.
Laut dem Erlasse des österreichischen Justizministeriums vom
28. Januar 1877 „sind die österreichische und die ungarische
Staatsbürgerschaft, entsprechend der internationalen einheitlichen
Stellung der Monarchie, im Verkehre mit dem Auslande als eine
einheitliche Staatsangehörigkeit aufzufassen, und daher können
Angehörige der ungarischen „Reichshälfte*, welche außerhalb
der österreichisch-ungarischen Monarchie eine strafbare Handlung
begangen haben und im Gebiete der im Reichsrate vertretenen
Länder betreten werden, niemals an das Ausland ausgeliefert
werden **).
Die Begründung, welche dieser Ministerialerlaß für die ex-
zeptionelle Beurteilung der ungarischen Staatsbürger hinsichtlich
der Auslieferung gegeben hat, verkennt gänzlich den eigentlichen
Grund dieser Ausnahmsverfügung. Denn daß Oesterreich die un-
garischen Staatsangehörigen, — und Ungarn wieder die öster-
reichischen Staatsangehörigen *°), — einem fremden Staate ebenso
nicht ausliefert, wie seine eigenen Angehörigen, dies findet ihren
Grund einzig und allein in Billigkeitsrücksichten, näm-
lich in der Respektierung des zwischen den beiden Staaten be-
stehenden Verhältnisses. Die ausnahmsweise Beurteilung in bezug
auf die Auslieferung ist keineswegs eine notwendige rechtliche
Konsequenz des zwischen Oesterreich und Ungarn bestehenden
Rechtsverhältnisses, sondern nur eine, aus Billigkeit erteilte, d. h.
eine derartige Konzession, welche z. B. durch Vertrag auch jedem
dritten Staate zugesichert werden könnte. Aus der Tatsache also,
daß jeder der beiden Staaten die Bürger des anderen Staates dem
Auslande nicht ausliefert, sondern nur ihrem eigenen Staate, eine
rechtliche Verbindung zwischen den zwei Staatsbürgerschaften zu
4 Den Text des Erlasses siehe „Oest. Zeitschrift f. Verwaltung“. 1877.
Nr. 14. S. 56.
#8 17 des GA. V: 1878.