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so erscheint uns die begriffliche Begründung des Oberverwaltungs-
gerichts (vgl. hierzu NEUKAMP S. 123 ff.), die im wesentlichen auf
der Gegenüberstellung der Geld- und Haftstrafen gegenüber den
andern Zwangsmitteln beruht, nicht als zulässig®”. Auch die An-
sicht, daß etwa durch das hartnäckige Verharren des Oberverwal-
tungsgerichts bei seinem Standpunkt und durch die Tatsache, daß
sich die unteren Behörden in ihrer Rechtsübung haben fügen müs-
sen, ein Satz des Gewohnheitsrechts entstanden seı, ist wohl des-
halb hinfällig, weil hinter diesem Satz nicht die opinio iuris der
Allgemeinheit gestanden hat, wie gerade daraus erhellt, daß aus
der Praxis heraus immer und immer wieder der Versuch gemacht
worden ist, die Auffassung des obersten Gerichtshofes zu erschüt-
tern. Man fragt sich bei dieser Sachlage, ob wirklich der Satz
des Oberverwaltungsgerichts eine rechtliche innere Notwendigkeit
sei. Man kann sich dabei vor Augen halten, daß das Zusammen-
treffen von Anordnungsnorm und Strafnorm in vielen Fällen inso-
fern ein zufälliges sein dürfte, als man sich wenigstens bei Fest-
setzung der Strafnorm nicht bewußt gewesen sein dürfte, daß man
der Verwaltungsbehörde in den Arm fällt. So könnte es unseres
Ermessens kommen, daß man im Wunsche, die Gesetze zu ver-
schärfen, im Ergebnis die Privilegien der Ruhe- und Ordnungs-
störer vermehrt hätte. Denn oft ist die Kraft des Zwangsrechts
stärker als der präventive Einfluß oder die tatsächliche Uebung
der Strafnorm, und zumeist nımmt man dem Zwangsrecht seine
Gewalt, wenn man ihm die Mittel der „Geld- und Haftstrafen“
raubt. Vom Standpunkte des Systematikers müßte man es nach
unserer Meinung als bedenklich ansehen, wenn die Praxis, um ihre
2% Vgl. ebenso FLEINER a. a. O0. S.199 Anm. 25. — Ob die Tatsache,
daß das Oberverwaltungsgericht in der Entscheidung vom 7. Mai 1908
(Bd. 52 8. 310) selbst Bedenken zu äußern beginnt, eine grundsätzliche Aen-
derung der früheren Ansicht einleiten wird, wird abzuwarten sein. Vgl.
wieder Urteil des Großh. Old. Oberverwaltungsgerichts v. 21. März 1912,
Pr. Verw.Bl. Bd. 33 S.600, das den Grundsatz ne bis in idem ebenfalls
anwendet.