Kolo-
nial-
politik.
Wirt-
schaft-
liche
Lage.
Volks-
zahl.
320 Aebersicht der politischen Entwichelung des Jahres 1896.
der Arbeiter der Sozialpolitik bemächtigen sollten, der Parteitag
erklärte sich jedoch nach gereizter Debatte dagegen. Um den poli-
tischen Charakter der Sozialdemokratie zu erhalten, wurde auch der
Antrag, den Achtstundentag zur allgemeinen Wahlparole zu machen,
abgelehnt.
In der Kolonialpolitik sind in erster Linie zwei Personen=
wechsel zu verzeichnen: der Kolonialdirektor Kayser räumte seinen
Platz dem Geheimen Legationsrat v. Richthofen und nahm die Stelle
eines Senatspräsidenten beim Reichsgericht ein, und der bedeutendste
aller deutschen „Afrikaner"“ Major v. Wißmann trat aus Gesund-
heitsrücksichten von seinem Posten als Gouverneur Ostafrikas zurück
und erhielt in dem schon kolonialpolitisch bewährten Oberst Liebert
einen Nachfolger. In Ostafrika wurde die Ruhe nur vorübergehend am
Kilimandscharogestört, in Südwestafrika dagegen mußten einige größere
empörte Hottentottenstämme niedergeworfen werden. Die Schutz-
truppe bewährte sich dabei vortrefflich, und der frühere Gegner Deutsch-
lands Hendrik Witboi, den Major Leutwein in das deutsche Inter-
esse gezogen hat, leistete treue Bundesgenossenschaft. Das materielle
Aufblühen der Kolonien befindet sich der dem Reichstage vorgelegten
Denkschrift der Kolonialverwaltung zufolge in stetem Fortschritt,
das deutsche Kapital beginnt sich an den landwirtschaftlichen und
industriellen Unternehmungen mehr und mehr zu beteiligen. Auch
die Berichte der Missionen lauten günstig.
Das Wirtschaftsjahr war für Deutschland günstig. Die Ernte
war im allgemeinen befriedigend, und die Preise begannen auch
langsam zu steigen, ohne freilich die Höhe der siebziger Jahre zu
erreichen oder die landwirtschaftliche Bevölkerung zufrieden zu stellen.
Gut waren die Verhältnisse für die Industrie. Wie stets hatte
die durch zahlreiche Bestellungen bedingte reiche Arbeitsgelegenheit
heftige Lohnkämpfe zur Folge, die freilich sämtlich — bis auf den
noch schwebenden Hamburger Strike — für die Arbeiter verloren
gingen.
Die am 2. Dezember 1895 vorgenommene Volkszählung
ergab 52279 901 Köpfe gegen 49 428 470 am 1. Dezember 1890.
Es hat also in der fünfjährigen Zählungsperiode eine Zunahme
um 2 851 431 Personen stattgefunden. Unter der Bevölkerung waren