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trages entscheiden, eine zweite in Prisensachen, eine dritte in Kon-
flikten aus dem internationalen Privatrecht, eine vierte wird urteilen
über Ansprüche Privater gegen fremde Staaten, eine fünfte über die Voll-
streckung ausländischer Urteile, eine Materie, die inzwischen in einem
Kollektivvertrag geregelt sein wird. Das Zukunftsbild entrollt sich noch
in weitere Ferne: Die Haager Konferenzen werden periodisch tagen. Vor-
bereitende Kommissionen werden ihre Arbeit fördern. Das Völkerrecht
wird kodifiziertt werden. Das schwierige Problem einer Abstufung des
Stimmrechts nach der Kulturbedeutung der Staaten wird gelöst werden.
Der Staatenverband wird sein Statut erhalten, seinen Grundvertrag, für
den der Verfasser ein Projekt ausarbeitet. Man wird zu der Erkenntnis
gelangen, daß der Gedanke eines Weltstaatenbundes zur Erhaltung des
allgemeinen Friedens die Anerkennung der Unabhängigkeit und des Be-
sitzstandes aller Staaten als logische Konsequenz in sich schließt. Der
Verband wird durch eine internationale Exekution gefestigt werden, eine
Institution, die auch im Rahmen einer Sozietät möglich ist. Ein Welt-
parlament wird eingerichtet werden, bestehend aus Delegationen der staat-
lichen Parlamente. Die verschiedenen Organisationen der internationalen
Verwaltung werden zu einer Einheit zusammenwachsen.
Der eigentümliche Reiz der Schrift liegt in der kunstvollen Synthese
von lehrhafter und schöpferischer Gedankenarbeit. Das Werk ist belebt
von einem großzügigen Enthusiasmus, der den Leser mit sich reißt. Das
Werk ist getragen von dem unerschütterlichen Glauben an den Triumph des
Rechtes im Leben der Völker, mit dem ein neues Zeitalter anbrechen wird,
ein Zeitalter, dessen erste Anzeichen wir schon heute erleben.
Redslob.
Dr. Adolf Menzel, Naturrecht und Soziologie. Wien und Leip-
zig, Fromme, 1912, 60 S.
Der Verfasser, welcher sich um die Geschichte der Staatslehre große
Verdienste erworben hat, erbringt in der vorliegenden Schrift den Nach-
weis, daß die Versuche der modernen Gesellschaftswissenschaft, allgemeine
Gesetze aufzustellen oder aus den von ihr gesammelten Tatsachen Schluß-
folgerungen für die zukünftige Entwicklung der Gesellschaft zu ziehen,
„so starke subjektive Beimischungen, man könnte beinahe sagen, partei-
politische Charakterzüge* zeigen, „wie sie das Naturrecht in seiner Blüte-
zeit aufzuweisen hat“ (8. 24). Zu diesem Zwecke erörtert MENZEL zunächst
das Naturrecht und den Sozialkontrakt und sodann die Soziologie und das
Gesetz der Entwicklung. Besondere Berücksichtigung wird dabei auf der
einen Seite der FıioHTeschen Staatslehre, auf der anderen COMTE und SpEN-
CER zuteil. Es handelt sich bei der Gegenüberstellung von Naturrecht und
Soziologie nicht gerade um kontradiktorische Gegensätze, indem der für