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ein anderer wird, so ist unsere Staatsanschauung selbst nicht bloß eine
Wirkung der Außenwelt, sondern auch unserer eigenen Psyche.
MENZELs scharfsinnige Untersuchungen legen den Wunsch nahe, der
Verfasser, der wie wenig andere, über Beruf und Sachkunde verfügt, möge
sich zu einer zusammenhängenden Darstellung der Geschichte der Staats-
lehre entschließen. Davon, daß wir eine solche Darstellung, die dem neuesten
Stande der Forschung entspricht, erhalten, hängt ja das fernere Schicksal
der wissenschaftlichen Behandlung der Staatslehre überhaupt ab.
Prag. L. Spiegel.
Joseph Freisen, Doktor der Theologie und beider Rechte, Ehrendoktor der ju-
ristischen Fakultät zu Budapest, Professor in der juristischen Fakultät
der Universität Würzburg: Das Militär-Kirchenrechtin
Heerund Marine des Deutschen Reiches, nebst Dar-
stellung des außerdeutschen Militärkirchenwesens.
Beiträge zur staatlichen und kirchlichen Rechts-
geschichte. Paderborn 1913. Druck und Verlag von Ferdinand
Schöningh. XIV und 395 Seiten. Preis 9 M.
Die unzulängliche wissenschaftliche Durcharbeitung des deutschen Staats-
kirchenreehts macht sich namentlich bei solchen Fragen dieser Rechts-
disziplin, welche praktisch von besonderer Wichtigkeit sind, recht unlieb-
sam bemerkbar. Eine beachtenswerte Stellung nimmt heute in allen Kultur-
staaten das Militärkirchenwesen ein. Wenn auch die Bemerkung des Ver-
fassers, „daß das Militärkirchenrecht wohl das bedeutendste Stück des
Staatskirchenrechts bildet, welches samt dem Recht der anderen ‚Personal-
gemeinden‘ vielleicht allein die Stürme der Trennung von Staat und Kirche
überdauern wird“ (S. VD), reichlich übertrieben erscheint, so ist diesem
Stoffe doch immerhin eine so erhebliche Bedeutung beizumessen, daß seine
bisherige dürftige literarische Behandlung als bedauerliche Lücke empfunden
werden mußte. Die einzige etwas eingehendere Vorarbeit stellt die jüngst
(1912),erschienene Schrift von LANGHÄUSER über das Militärkirchenwesen
im kurbrandenburgischen und königlich preußischen Heere dar, deren Er-
gebnisse dem Verfasser bei seiner Arbeit noch zustatten gekommen sind.
Kurz berührt wird die Militärseelsorge in den Lehrbüchern von SCHERER,
HınscHıus, THUDICHUM und GROSS, sowie in einigen anderen, heute mehr
oder weniger veralteten Darstellungen (STRAUSS, SCHILD, LÜNNEMANN;
vgl 8. 68, Anm. 1). Aber eine umfassende Gesamtdarstellung der Materie
fehlte bislang sowohl für Heer und Marine des Deutschen Reiches als auch
für die übrigen Kulturstaaten.
Es ist auf das lebhafteste zu begrüßen, daß gerade FREISEN sich der
außerordentlichen Mühe unterzogen hat, uns diese zusammenfassende Be-
arbeitung des Militärkirchenwesens zu schenken. Seit einer langen Reihe